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Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

Titel: Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Freund
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eine weitere Tür. Es musste noch andere Ausgänge geben als den zum Kanal, und am besten fände er einen, der nicht auf den großen Platz hinausführte. Jonas’ Finger strichen über das Türblatt, die Farbe löste sich in Schichten. Als er die Tür einen Spaltbreit öffnete, rann ein schwaches Licht über die Spitzen seiner Schuhe. Er trat in ein früher gewiss einmal prächtiges Foyer. Jetzt lag der Staub fingerdick auf dem kostbaren Parkett, an den Wänden Bilder in Rahmen mit Schlagseite. Die Lüster an der Decke schliefen, das Licht kroch durch den breiten Spalt einer gehörig verzogenen Flügeltür. Hinter ihr musste es strahlend hell sein.
    Einen Moment hielt Jonas inne. Was, wenn die Augen des Hirten hier in den Wänden säßen? Nass, wie er war, mit zurückgeschlagener Kapuze, hatte er nicht das Gefühl, noch als Jünger durchzugehen. Aber was blieb ihm schon übrig?
    Wenn doch Ole jetzt da wäre, dachte er. Oder Lunette.
    Er ging auf Zehenspitzen weiter. Als er das Geräusch zum ersten Mal hörte, fror er in der Bewegung ein. Ganz steif stand er da und tropfte auf das Parkett, als tickte eine Uhr.
    Hinter der Flügeltür klang es, als würde jemand geohrfeigt.
    Dann wurde es wieder still.
    Vorsichtig setzte sich Jonas erneut in Bewegung.
    »Bravo! Bravobravobravo! Bravissimo!«
    Die Ohrfeigen folgten jetzt dicht hintereinander. Wer immer da geschlagen wurde, musste Höllenqualen leiden.
    »Zugabe!«, rief es jetzt hinter der Tür. »Zugabe!«
    Jonas stutzte. Das klang nach Freude, nicht nach Wut oder Schmerz. Kurz entschlossen huschte er zur großen Tür. Wollte er Ole und Fiet finden, würde er Hilfe brauchen. Und was immer ihn dort hinter der Tür erwartete, ein Jünger Faramunds konnte es eigentlich nicht sein.
    »Hurra!«, kam es jetzt durch den Spalt.
    Dann wieder Stille.
    Ganz langsam öffnete Jonas die Tür und stand plötzlich im grellen Licht. Vor ihm ein Meer aus Stühlen, in einem satten Rot bezogen, Reihe um Reihe, bis tief in den Raum. Unter der Decke brannten glitzernde Kronleuchter, und ganz am Ende des riesigen Raums erhob sich, begrenzt von den tiefen Falten eines schweren, dunklen Vorhangs, eine leere, schwarze Bühne.
    Die Ohrfeigen setzten wieder ein. Direkt vor der Bühne, in der allerersten Stuhlreihe saß ein Mann und klatschte wie wild in die Hände.
    »Wie treffend!«, rief er mit einer meckernden Stimme. »Wie außerordentlich treffend!«
    Jonas konnte nur seinen Kopf sehen, dicht behaart, und darunter einen buckeligen Rücken.
    »Bravo! Famos!«
    Jonas rang mit sich. Sollte er den Mann ansprechen? Oder könnte er Ole und Fiet vielleicht doch alleine finden?
    »Hallo?«, sagte er schließlich zaghaft. »Hallo?«
    Kaum hatte der Mann ihn gehört, sprang er auch schon auf. Unwillkürlich wich Jonas zurück. Der Mann war ein … ja, was?
    Schon kam er näher, buckelig und mit klappernden Hufen.
    Jonas starrte ihn an. Hufe?
    »Ein Besucher!«, meckerte dieses seltsame Wesen und rieb sich, immer noch näher kommend, die behaarten Hände. »Zu dieser Stunde!«
    Jonas hörte sich auf das Parkett tropfen. Er rührte sich nicht.
    Der Mann hatte einen ziemlich großen Schädel und seine struppigen, gelblich weißen Koteletten mündeten in einen steif nach vorne weisenden Ziegenbart. Vor allem aber ragten aus seinen Hosenbeinen keine Füße, sondern … Hufe.
    »Na, so was.« Klappernd kam dieses rätselhafte Wesen zum Stehen und musterte Jonas von oben bis unten. »Ich hätte dich mit einem der Jünger verwechseln können, junger Mann. Womit du mir einen unverzeihlichen Schrecken eingejagt hättest. Das dürfte ja wohl klar sein.«
    Jonas starrte bloß zurück. Ein Faun, dachte er dann. Der Mann musste ein Faun sein.
    »Gu-guten Abend«, stotterte er. Etwas anderes fiel ihm nicht ein.
    »Guten Abend?«, meckerte der Faun. »Es ist tief in der Nacht. Früher Morgen schon bald. Eben ist die Spätvorstellung zu Ende gegangen! Zweiundzwanzig Zugaben! Der Saal hat getobt!« Mit einer eleganten Bewegung seines Arms wies er auf die leere Bühne am Ende des Saals. »Heute wurde Die Prinzessin Fantasmagoria gegeben. Ein beispielloser Publikumserfolg!« Er ließ den Arm sinken und schaute wieder auf Jonas herab.
    Jonas sah zur leeren Bühne hinunter. Spätvorstellung? Er verstand nicht.
    »Oh! Ich weiß, was du jetzt denkst!«, meckerte der Faun. »Niemand auf der Bühne! Niemand im Parkett! Kein Licht! Keine Kulissen! Und so weiter und so fort. Ja, ja!« Er ruderte mit den Armen. Immerhin aus

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