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Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

Titel: Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Freund
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die seitlich der Bühne an der Wand lehnten. Im schwindenden Licht der Leuchter im Saal erkannte Jonas gerade noch das märchenhafte Schloss, das auf die oberste Kulisse gemalt war, dann schob ihn Lubbe schon durch eine schwere Tür.
    Es ging einen dunklen Korridor mit vielen Türen entlang. Jonas tropfte. Lubbe klapperte mit den Hufen.
    Dann blieb der Faun stehen. »Psst!«, machte er. Er kramte in seiner Rocktasche und holte etwas hervor, das Jonas erst als Kerzenstummel erkannte, nachdem Lubbe den Docht entzündet hatte. Es wurde ein wenig heller.
    Lubbe öffnete eine Tür. »Sieh mal«, flüsterte er und leuchtete in den angrenzenden Raum hinein.
    Jonas schrak zurück. Dort in der Stirnwand des Zimmers saß ein riesiges Auge, das geschlossene Lid mit Blumen bedruckt wie die Tapete ringsum. Sobald das schwache Kerzenlicht in den Raum fiel, öffnete es sich träge und glotzte mit seltsam verhangenem Blick an Jonas vorbei.
    »Keine Angst!«, raunte Lubbe. »Ich habe es ausgetrickst. Schau mal von hier!« Er schob ihn ein wenig zur Seite, sodass Jonas durch die offene Tür auch die dem Auge gegenüberliegende Wand sehen konnte. Dort hing ein großer Spiegel. Das Auge starrte direkt hinein.
    Lubbe lachte leise. »Es sieht nichts anderes, junger Mann. Nur sich selbst! Und es ist ganz verliebt in sich. Kaum dass ich Licht mache, starrt es sein Ebenbild an. Stundenlang. Nicht, dass ich es ausprobiert hätte, aber ich glaube, du könntest einen Bockstanz aufführen – vor seiner Nase sozusagen – und es würde dich nicht sehen.« Leise kichernd schloss er wieder die Tür. »Wenn der Ehrgeiz als Zwerg zur Welt kommt, nennt man ihn Eitelkeit«, sagte er boshaft.
    »Ist es das, was Sie mir zeigen wollten?«, fragte Jonas. Er wurde langsam unruhig. Er wollte zu Ole und Fiet und am besten gleich jetzt in die Gassen hinaus. Dass seine Kutte triefnass war, scherte ihn nicht. Ihm war kalt, das war alles.
    »Nein, nein.« Lubbe richtete den Kerzenstummel in den Gang. »Das war nur ein kleines Vorspiel, junger Mann. Erst etwas Lustiges, dann das Erhabene, damit das Erhabene noch erhabener wirkt. Habe ich recht?«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, führte Lubbe ihn weiter den Korridor entlang und ließ ihm ein paar Türen weiter mit großer Geste den Vortritt. »Meine Garderobe, Jonas Nichts. Die Garderobe des grrrroßen Lubbbbe! Früher häuften sich die Blumen hier zu duftenden Bergen! Glückwunschkarten statt Tapeten! Und hatte ich die Tür verschlossen, dann schlugen die Autogrammjäger sie beinahe ein! Ja, ja. So war das!«
    Jonas trat in den dunklen Raum, und Lubbe beeilte sich, die Kerzen eines Leuchters zu entzünden. An der einen Wand stand ein Schminktisch mit einem Spiegel, an einer anderen ein enormer Schrank, an der dritten ein Ofen und ein Bett ohne Matratze.
    »Oh! Ach so.« Lubbe hatte Jonas’ Blick bemerkt. »Leider, leider, junger Mann, muss ich im Schrank schlafen. Die Zeiten sind fürchterlich und auch ich muss mich vor den Jüngern verstecken.« Er klapperte zum Schrank hinüber und riss dessen Türen auf. Von herabhängenden alten Kostümen halb verborgen, lag dort auf dem Schrankboden die verschwundene Matratze. Lubbe schnappte sich eine Decke, die darübergebreitet war, und machte sich dann daran, den Ofen zu entzünden. »Schnell, schnell, Jonas Nichts«, meckerte er. »Die nassen Sachen ausgezogen, die Decke übergeworfen, und dann gibt’s zur Belohnung meine Überraschung.«
    Bald darauf wurde es Jonas warm. Der Ofen bullerte, seine Sachen hingen über der Lehne des davorgestellten Stuhls, er selbst saß auf dem harten Bettgestell. Das alles hätte halbwegs tröstend gewirkt, hätte er nicht so eilig fortgewollt. Ole und Fiet mussten ihm helfen, Ruben war an einem schrecklichen Ort.
    Sollte er ihnen von Core und den Sonneberger Figuren erzählen? Sollte er sein Geheimnis endlich preisgeben?
    Lubbe hatte von irgendwoher einen schäbigen, kleinen Koffer herbeigezaubert und wühlte in den darin aufbewahrten Papieren. »Hier!«, krähte er schließlich und wedelte mit einem reichlich verknickten Blatt. »Das wird dich interessieren! Du interessierst dich doch für die Vergangenheit, oder?«
    »Ich muss bald los«, sagte Jonas. »Wirklich. Bitte.«
    Aber Lubbe redete wie ein Wasserfall. »Dieser Brief ist vom König, Jonas. Von Leopold höchstselbst. Du glaubst ja gar nicht, wie oft er früher hier war! Fast jeden Abend kam er vom Palast herüber. Und in alles hat er sich eingemischt. Kostüme! Bühnenbilder!

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