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Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

Titel: Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Freund
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Leute. Falls wir überhaupt jemanden befreien.«
    »Aber wie sollen wir …« Es war hoffnungslos. Die Sätze schienen an Krempel abzuprallen, noch bevor Jonas sie ganz ausgesprochen hatte.
    Ole schien seinen Widerstand jetzt aufgegeben zu haben. Er ließ die Schultern hängen, sein Blick war leer. Suleman redete und redete.
    »Wir können doch nicht …?«, probierte es Jonas noch einmal.
    »Ihr könnt hierbleiben, natürlich könnt ihr das«, sagte Krempel und seine Stimme duldete keinen Widerspruch. »Überall ist es jetzt sicherer als in Kanaria. Ihr kommt hier schon zurecht. Ole ist in Lagern wie diesem aufgewachsen. Und es gibt reichlich Vorräte.«
    Verstört sah Jonas zum Waldrand hinüber. Ole stand da wie versteinert, und als Jonas klar wurde, wie wütend Ole jetzt sein würde, wurde ihm angst und bange.
    Die Rebellen waren zum Aufbruch bereit, noch bevor die Stunde um war. Mit Bogen und Speeren bewehrt, hatten sie sich um die Feuerstelle versammelt. Tanger und der große Fängge trugen lange Leitern, viele hatten sich Säcke voller Proviant über die Schulter geworfen. Manchmal leuchtete Grimberts gelbe Uniform auf.
    Einer nach dem anderen waren Walrider, Krempel und Fiet aus der Hütte gekommen, in die Ole sich verkrochen hatte. Zwischen den Stämmen, ein Stück weit im Wald, stand Sulemans Schimmel in einem Pferch und zupfte an den wenigen Halmen, die dort wuchsen. Jonas wartete immer noch am Ufer des Bachlaufs – worauf, wusste er nicht. Er hätte gern mit Ole geredet, aber Ole sprach mit niemandem. Wie ein verwundetes Tier hatte er sich zurückgezogen.
    Als Suleman schließlich kopfschüttelnd aus Oles Hütte trat, lösten sich Krempel und Fiet aus der Menge und kamen auf Jonas zu. Einen Augenblick lang schienen sie nicht zu wissen, was sie sagen sollten. Fiets Züge waren noch härter als sonst und Krempel vergrub die kleinen Hände in den Hosentaschen.
    »Hör zu«, fing Fiet schließlich an. »Warte nicht länger als eine Woche. Höchstens zehn Tage.«
    Jonas sah ihn verständnislos an.
    »Wenn du bis dahin keine Nachricht von uns hast, schlägst du dich bis zu deinem Schrank durch.« Fiet hielt inne, die Lippen so schmal wie ein Strich. »Ole findet den Weg«, fuhr er dann fort. »Nimm ihn mit. Verlasst das Land. Beide.«
    Jonas war verblüfft. Mit einem solchen Vorschlag hatte er nicht gerechnet. Ole würde das Land niemals verlassen. Wusste Fiet das nicht? Und auch er selbst hatte seit seinem Entschluss, Ole zu folgen, nur noch ein einziges Mal überlegt, zurück nach Wunderlich zu gehen.
    Wunderlich. Ein kurioser Gedanke holte ihn ein. Gab es das Herrenhaus überhaupt noch? Ohne Tabbi, ohne Ruben? Ohne Alma und den entsetzlichen Irmingast? Jonas starrte an Fiet vorbei und dachte an Brand und an Elsa, an den Hof und den Räuberwald aus Tannenzapfen. Der Wieflinger war auch nicht mehr da. Hatte er ihn nicht über die Felsen steigen sehen, die Kanaria von der Flüsterstadt trennten? Wann war das gewesen?
    Jonas streckte Fiet die Hand hin. Eine Antwort hatte er nicht für ihn. Eines Tages würde er zurückkehren, durch den Schrank, durch das verstaubte Spielzimmer, nach Wunderlich und zu den Hügeln, über die der Wind pfiff. Aber nicht jetzt. »Danke für alles«, murmelte er. Was hätte er sonst sagen können?
    »Wir danken dir«, sagte Krempel. Plötzlich glänzten seine riesigen Augen. »Du wirst es richtig machen, so oder so. Vertrau auf dich selbst, Jonas Nichts! Willst du dir das merken?« Auch er gab Jonas die Hand, so wie Fiet.
    »Seid ihr fertig?« Vielleicht hatte Suleman sie beobachtet. Wahrscheinlicher hatte er zur Hütte hinübergesehen, in der sich Ole vor allen Blicken verbarg.
    »Wir kommen«, antwortete Fiet. Er legte Jonas die Hand auf die Schulter. Krempel nickte Jonas zu. Dann wandten sich die beiden Männer, einer klein und einer winzig, ab und gingen geradewegs zu ihren Kameraden hinüber. Suleman rief ein Kommando, und dann setzten sich die Rebellen – Suleman und Grimbert an ihrer Spitze – in Bewegung. Sie würden ohne Rast marschieren, die ganze Nacht und noch länger. Am Waldrand drehte sich Walrider noch einmal um und winkte. Er war der Letzte, der zwischen den Stämmen verschwand.
    Was nun? Jonas wusste nicht, wohin er sich wenden sollte. Er fühlte sich verlassen und unendlich nutzlos. Die Hütten mit ihren leeren Eingängen stierten ihn an wie einen ungewollten Fremden, das Bachwasser lief achtlos an ihm vorbei, die Bäume ringsum rotteten sich gegen ihn zusammen.

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