Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts
krachend zu Boden.
»Himmel!«, rief der Advokat. »Die Armen!« Die Angreifer waren wirklich in höchster Not! Was konnte es nur sein, das Irmingast eine solche Macht verlieh? Zauberei? Peregrin Aber glaubte nicht an Zauberei. Alles in ihm sträubte sich dagegen. Lieber würde er seinen Augen nicht trauen.
Vor dem Fenster hatten sich zwei höchst wundersame Gestalten ins Freie des Parks gerettet. Die eine war winzig klein, noch kleiner als Irmingasts kindliche Schergen, und selbst aus der Entfernung konnte Peregrin Aber ihre übergroßen Augen erkennen. Die zweite Gestalt wiederum hatte langes, unwirklich schimmerndes, weißes Haar und bewegte sich mit großer Anmut. Beide hatten Arme und Beine und alles Übrige, was den Menschen auf einen Blick zum Menschen macht – wirklich menschlich aber wirkten sie dennoch nicht!
»Wer … Was … Also! Wer ist das , Prinz?«, stammelte Peregrin Aber.
»Ein Alb und ein Wicht«, antwortete Leopold umstandslos. Der Prinz schien nicht im Mindesten überrascht. »Es ist äußerst befriedigend für mich, dass sie zurückkehren. Man hat ihresgleichen hier lange verfolgt. Allerdings hätte ich mir ihre Rückkunft lieblicher gewünscht.« Er schüttelte abfällig den Kopf. »Mir ist alles Militärische ein Graus! Eine Schlacht! Wie abscheulich! Wie stillos!« Er warf einen vernichtenden Blick auf den zuckenden Irmingast, der schon mit seiner nächsten Teufelei befasst war.
Kaum nämlich, dass die beiden Fabelgestalten dem Schloss in wilder Flucht näher kamen, explodierte einer der gewaltigen Brunnen im Park, als würde er von innen heraus zersprengt. In großen Brocken regnete es Marmor – Elefantenrüssel, Löwentatzen, abgebrochene herrenlose Flügel! Der ganze gefährliche Zierrat!
»Oooo!«, stöhnte Peregrin Aber, als der Wicht, von einem Brocken getroffen, zu Boden ging.
»HA!«, jubilierte der niederträchtige Irmingast am Fenster.
Draußen kniete der Alb vor seinem Kameraden nieder.
Eine bange Sekunde verging.
Dann schulterte dieses leuchtende Wesen den kleinen Kerl und rannte – von seiner Last, wie es schien, kaum behindert – in Richtung des zerbrochenen Waldes zurück.
Doch Irmingast hatte dieses Scharmützel noch nicht verloren gegeben. Auch der zweite Brunnen brach wie ein Vulkan auseinander. Wieder hagelte es Trümmer. Doch geschickt wich die Lichtgestalt ihnen aus, schlug Haken und setzte über die niedrigen Hecken. Schließlich verschwand der Alb mit einem letzten, waghalsigen Sprung im Wirrwarr der niedergemähten Stämme.
»Bravo!«, rief Peregrin Aber und schaute gleich ängstlich zu Irmingast hinüber.
Der war Gott sei Dank anderweitig beschäftigt. Drohend schüttelte er die Fäuste, stieß sich dann wütend vom Fenster ab und stürmte wortlos aus dem Raum. Krachend fiel die Tür zu. Gleich darauf kratzte der Schlüssel im Schloss.
»Scheusal!«, rief Peregrin Aber diesem Erzschurken noch hinterher.
Gleich darauf erschrak er beinahe zu Tode.
Alma war wie von der Tarantel gestochen. Einem dicken, fetten, glänzenden Käfer gleich krabbelte sie auf die Tür zu.
»Was zum Henker …«, entfuhr es Peregrin Aber. Dann fiel sein Blick auf die kleine, braune Figur. Irmingast hatte sie unmittelbar vor der Tür verloren. Offensichtlich hatte er sie in seiner Erregung nur nachlässig in seiner Kutte verstaut. Da lag der Mönch nun zwischen all dem zerdepperten Porzellan auf dem Parkett.
Peregrin Aber reagierte blitzschnell. Mit flinken Trippelschritten war er sogleich an der Tür und schnappte sich die Figur, gerade als Alma ihre Wurstfinger nach ihr ausstreckte.
»Nichts da!«, rief er, barg die Figur und fühlte sich für einen kurzen Moment wie ein siegreicher Feldherr, der nur noch den Fuß auf die Brust des Unterlegenen zu setzen braucht. Ein Blick an sich hinab jedoch zerstreute das Hochgefühl. Knöpfstiefel, ein nacktes Knie, Unterhosen, Oberhemd. Außerdem hatte er sich auf einen Wettlauf um eine dieser Figuren eingelassen. Um Spielzeug! Wie peinlich!
Alma war, kaum hatte sie ihre Niederlage eingesehen, wieder in ihre unheimliche Starre verfallen. Bäuchlings lag sie da, die Wange an den Boden geschmiegt, die Augen blicklos.
Misstrauisch besah sich Peregrin Aber seine Beute. Ein dicker, zudem eher unfreundlich dreinblickender Mönch.
Na und?
»Sagen Sie, Prinz«, rief Peregrin Aber leutselig, um die Peinlichkeit der Situation halbwegs zu überspielen. »Ist Ihnen diese Figur vielleicht bekannt?« In seinem lächerlichen Aufzug stapfte er
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