Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts
Zettel sorgfältig neu, schob die Kerzen zurück an ihren Platz und machte sich an die letzte Schublade. Sie schien leer zu sein, so leicht und hohl kam sie ihm entgegen. Doch was war das? Jonas fasste zu und zog seine Beute an sich.
Er spitzte die Ohren. Ringsum war es still.
Erst dann nahm er das schmale, winzig kleine Heft in Augenschein. Es war in ein Stück dicker, grauer Tapete eingebunden. Er schlug das Heft auf und blätterte schnell durch die wenigen Seiten, die mit einem dünnen, weißen Faden zusammengeheftet waren. Die Blätter waren vergilbt und mit einer winzigen, krakeligen, völlig unlesbaren Schrift bedeckt. Immer wieder waren grobe Zeichnungen zwischen die Zeilen gestreut. Jonas erkannte eine Hügellandschaft, einen See, dann eine Stadt mit wundervoll verwinkelten Häusern. Die Bildunterschrift zu dieser Zeichnung ließ sich mit etwas Mühe vielleicht entziffern, die Lettern waren größer. Jonas kniff die Augen zusammen und buchstabierte. Da war ein großes E , da ein kleines w , und dieses lang gestreckte, stürmisch hingeworfene Wort hieß fabelhaft , nein fabelhafte . Dann hatte er es zusammen.
Es war einmal ein kleines Mädchen namens Alma, das wachte über eine fabelhafte Stadt, die hieß Callamaar.
Einen Augenblick hielt er inne, dachte an das Gemälde mit dem kleinen Mädchen Alma und ließ diesen sonderbaren Namen nachklingen. Callamaar . Dann blätterte er weiter. Aber schon auf der nächsten Seite verlief die Tinte. Vielleicht war das Heft einmal nass geworden.
Schließlich blätterte Jonas zurück bis zum Vorsatzblatt. Es war leer, bis auf drei schmale Zeilen am rechten oberen Rand, die er zunächst gar nicht bemerkt hatte. Sie waren in einer anderen Schrift geschrieben, sehr ordentlich, wenn auch ebenso winzig wie der Rest.
Erstes Heft, CF , stand da, dann ein Datum – ein Tag vor über dreizehn Jahren – und schließlich ein Name. Arnon Blau .
Jonas verstand nicht.
CF?
CF.
Clara Fink?
Aber wer war Arnon Blau? Jonas hatte diesen Namen noch nie gehört.
Einen Augenblick lang war er fest entschlossen, das Heft zurück in die Schublade zu legen, aber dann tat er etwas ganz anderes. Er knöpfte seine Joppe auf und steckte das Heft in die Innentasche.
Weiter, dachte er. Die Zeit lief ihm davon.
Mit langen Schritten näherte er sich dem großen Schrank und öffnete seine Türen. Ein muffiger Geruch schlug ihm entgegen. Kleider, nichts als Kleider. Er ging in die Hocke und tastete den Boden des Schranks ab. Ein Paar Pantoffeln, sonst nichts. Eilig schloss er die Schranktüren. Er hatte das Heft, nach dem er gar nicht gesucht hatte, aber wo war der Puppenspieler? Er wusste nicht, warum, aber er hätte schwören können, dass Alma diese Figur besaß. Oder sollte Tabbi recht haben? Könnte der Puppenspieler wirklich im Spielzimmer sein?
Noch einmal sah er sich um. Er stellte sich Alma vor, nicht ohne Widerwillen. Er sah sie noch einmal voller Empörung in die Bibliothek rauschen. Er erinnerte sich daran, wie sie sich ohne Umschweife über ihren Fisch hergemacht hatte. Was für eine Art Versteck würde Alma sich ausdenken?
Jonas sah zum Ahnherren Leopold hinüber. Hinter dem Bilderrahmen, das wäre ein gutes Versteck für eine so kleine Figur. Aber als er das Bild vorsichtig anhob, wusste er schon, dass er dort nicht fündig werden würde. Almas Versteck würde naheliegend sein, simpel. Jonas rückte das Bild wieder zurecht.
Wenn er doch nur mehr Zeit hätte!
Er zwang sich, ruhig zu überlegen.
Also …
Mal angenommen …
Zwar hatte Alma alle Zeit der Welt gehabt, den Puppenspieler zu verstecken, aber angenommen, er, Jonas, müsste in aller Eile etwas verbergen – welches Versteck würde er dann wählen? Sein Blick fiel auf das große, ungemachte Bett.
Ja.
Mit schnellen Schritten ging er darauf zu, legte sich auf den Bauch und tastete den Fußboden darunter ab. Doch er verwischte bloß den Staub. Er kniete sich hin und hob die Matratze an, nur ein Stück weit, sodass er eine Hand in den Spalt bekam. Wieder tastete er, und diesmal piekste ihn etwas in die Hand, etwas Spitzes, Kleines, Hartes. Jonas griff zu und förderte eine Handvoll Buntes ans Licht. Sein Herz schlug schneller. Sonneberger Figuren! Und gleich zwei! Sie waren auf dieselben kleinen, grünen Podeste geklebt wie die Figur auf Claras Porträt.
Jonas vergaß alles um sich herum, als er sie betrachtete. Minutenlang hockte er einfach da und sah auf sie herab. Dann stellte er sie auf dem Fußboden auf, so als
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