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Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

Titel: Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Freund
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würde das Spiel gleich beginnen.
    Die erste Figur war ein Soldat. Ganz stramm stand er da, hoch aufgerichtet, kerzengerade. Jonas vergaß gleich, dass dieser Soldat aus Brotteig und Sand und Leim gemacht war und kaum länger als sein Zeigefinger. Unter dem engen roten Rock musste einfach ein Herz schlagen. Jeden Augenblick konnte sich eines der Beine in den Kniebundhosen und den makellos weißen Strümpfen bewegen, gleich würde die Hand, die jetzt an der Hüfte klebte, den Säbel ziehen. Und am Abend würde dieser Soldat seinen seltsam verbeulten Dreispitz absetzen, ihn auf den Wirtshaustisch legen, »Wein!« brüllen und sich den Schnurrbart zwirbeln. Vielleicht war er ein Feldherr, bestimmt ein General. Und die Figur neben ihm war sein König.
    Jonas bewunderte den langen Mantel, den der König locker um die Schultern geworfen hatte. Der Mantel war dick und weiß und voller schwarzer Tupfen – ein Hermelin. Darunter trug der König eine prächtige Uniform. Goldene Tressen, gelber Rock und gelbe Hose, weiße Strümpfe und glänzende schwarze Schuhe. Natürlich trug der König auch eine Krone über dem schwarzen Haar, reckte stolz das glatte Kinn und trug sein Zepter wie eine Fahne. Jonas streckte den Finger nach dem König aus und berührte ihn sanft. Ganz glatt fühlte sich der Lack an.
    Aber wo war der Puppenspieler?
    Jonas löste den Blick von den beiden Figuren und hob die Matratze noch einmal an. Eine ganze Weile fingerte er unter ihr herum, bis er auf noch eine Figur stieß.
    Wen sie darstellte, war schwer zu sagen, aber der Puppenspieler war es gewiss nicht. Der dritte Mann trug eine altmodische graue Perücke, einen gelben Rock über einem Rüschenhemd, dazu eine rosafarbene Schärpe und hellblaue Kniebundhosen über weißen Strümpfen. Er hatte die Arme verschränkt, den linken Fuß auf einen Stein gestellt und seine Augen suchten einen unsichtbaren Himmel ab. Vor sich hatte der Mann ein schwarzes Gerät auf drei dünnen Beinen aufgebaut, die bestimmt leicht abbrechen würden. Jonas hatte keine Idee, was für ein Gerät das sein könnte.
    Er stellte auch diese Figur auf den Fußboden, in eine Reihe mit den beiden anderen.
    Warum hatte Alma sie versteckt? Und wo war der Puppenspieler?
    Unter der Matratze lag nichts mehr verborgen.
    Noch einmal sah Jonas auf den Soldaten, den König und den dritten Mann hinab, und zu seiner eigenen Überraschung nickte er ihnen zu, genauso wie Ruben vom Kutschbock aus Brand zugenickt hatte. Dann ließ er alle drei vorsichtig in seine Tasche gleiten und lief schnell zur Tür. Er war finster entschlossen. Irgendjemand auf Wunderlich würde reden müssen, und da Ruben nicht da war, konnte das nur Tabbi sein.

Das 8. Kapitel
bringt Tabbi zum Reden
    Ja, glaubst du denn, dass du der Einzige bist, der Spuren lesen kann?« Tabbi war ganz rot geworden. Eine graue Haarsträhne hatte sich aus ihrem Dutt gelöst und baumelte vor ihrer Stirn. Ihre Nasenwurzel zierte eine beeindruckende Zornesfalte. »Glaubst du, ich kann das nicht? Und Irmingast? Und Alma?« Offensichtlich war es Tabbi einerlei, ob jemand sie hören konnte. Sie schrie und fuchtelte mit Jonas’ Schuhen. Die immerhin hatte sie gefunden, da, wo Jonas sie ausgezogen hatte, im Südflügel, an der Tür zum Innenhof. »Du bist im Spielzimmer gewesen! Im Turm! Ja, bist du denn von allen guten Geistern verlassen?«
    Jonas’ Finger schlossen sich um die drei Sonneberger Figuren in seiner Jackentasche. Er ließ sich bereitwillig ausschimpfen – vor Tabbi hatte er keine Angst. Nur dass auch Irmingast und Alma seine Spuren im Innenhof bemerken könnten, machte ihm Sorge. Aber er wischte den Gedanken beiseite.
    »Ich bin nicht im Turm gewesen«, sagte er ruhig. »Ich war in Almas Zimmer.«
    Tabbi traute ihren Ohren nicht. Ihr Mund ging auf und wieder zu, dann strich sie sich ohne ersichtlichen Grund über die Schürze. »Was?«, krächzte sie.
    »Ich war in Almas Zimmer«, wiederholte Jonas. »Ich habe noch mehr Sonneberger Figuren gefunden. Solche wie auf Claras Bild.« Vorsichtig zog er sie aus seiner Tasche und hielt sie Tabbi hin.
    Tabbi schnappte nach Luft. »Du hast sie mitgenommen ?«, flüsterte sie.
    Jonas nickte. »Alma hatte sie unter ihrer Matratze versteckt«, sagte er. »Hast du sie schon mal gesehen?«
    Tabbi sah auf das bunte, verhakte Durcheinander auf seiner Hand. Das Zepter des Königs hatte sich unter dem seltsamen Gerät des dritten Manns verklemmt. Der Soldat lag so stocksteif daneben, als sei ihm das

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