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Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

Titel: Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Freund
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ohrenbetäubend, in den dumpfen Knall mischte sich ein entsetzliches Knirschen und Klirren. Scherben pfiffen wie Geschosse durch den Raum und schlugen gegen die Wände, eine traf Jonas so hart wie ein Stein.
    Dann war plötzlich alles still.
    Jonas, immer noch auf allen vieren, wandte sich um. Tabbi saß auf dem Fußboden und rieb sich die Wange. Vor ihnen lag ein weißer See aus Scherben, darin schwamm, was vom Leuchter übrig geblieben war. Nicht mehr als ein metallenes Gerippe. Gespenstisch schimmerte das zerborstene Glas in der Dunkelheit.
    »Mein Gott!« Tabbi begutachtete die Hand, mit der sie sich die Wange gerieben hatte. Sie war voller Blut. Eine der Scherben musste sie getroffen haben.
    »Jonas! Bist du verletzt?«
    »Nein.« Er war jetzt bis zu Tabbi gekrochen. »Aber du.«
    »Das ist nicht schlimm. Nur ein Kratzer.« Sie wischte sich wieder über die Wange. »Wie konnte das geschehen?«
    Jonas sah zur Decke hinauf. Aber es war schon zu dunkel, nicht einmal den Stumpf des Leuchters dort oben konnte er erkennen.
    »Es könnte ein Unfall gewesen sein«, murmelte Tabbi.
    Jonas schwieg. Wo waren Alma und Irmingast jetzt? Sie konnten diesen Krach unmöglich überhört haben.
    Jonas’ Blick wanderte zur Treppe, dann zur Tür.
    »Tabbi …«
    Weiter kam er nicht. Die Tür schwang auf, blaues Dämmerlicht wehte in die Halle, Schneeflocken stoben herein. Jonas’ Muskeln verspannten sich.
    Was …?
    Was …?
    Jemand trat in die Halle. Ein Rumpf, Schultern, ein Kopf. Es war ein großer Mann.
    »Hallo?«, rief Tabbi.
    Keine Antwort.
    »Hallo?« Ihre Stimme überschlug sich. »Jetzt antworten Sie doch! Jetzt sagen Sie doch etwas! Um Himmels willen! Warum antworten Sie denn nicht?«
    Jonas musste lächeln. Er wusste schon, wer da gekommen war.
    Auf Rubens Schultern lag noch Schnee.

Das 10. Kapitel
enthält einen ersten Brief an Peregrin Aber
    Wunderlich, 15 . November
    Herr Doktor!
    Ich schreibe Ihnen in großer Aufregung! Sie müssten einmal sehen, wie mir die Hände zittern! Ich kriege sie gar nicht mehr still! Verzeihen Sie also die unleserliche Schrift, aber es hat gestern einen Mordanschlag gegeben auf den jungen Jonas Nichts! Der junge Herr Nichts und ich waren gerade mit dem Reinemachen beschäftigt in der großen Halle, da kam der Leuchter von der Decke und ist in tausend Stücke zerbrochen. Ich finde immer noch Scherben, obwohl ich die halbe Nacht gefegt habe. Der Leuchter jedenfalls hätte den jungen Herrn Nichts und mich auf der Stelle totgeschlagen, wenn der junge Herr Nichts nicht zuvor ein verdächtiges Geräusch gehört hätte und mich gerade noch rechtzeitig umgeworfen. Es ist also niemand zu Schaden gekommen, dem Herrgott sei Dank!
    Gleich nach dem Unglück kam Ruben zur Tür herein, und als ich in der Nacht, als der junge Herr Nichts schon auf seinem Zimmer schlief, die Scherben zusammengekehrt habe, hat Ruben die Reste vom Leuchter von der Decke gekurbelt. Herr Doktor, Sie wissen, wie Ruben ist, er redet nicht und kann es ja auch gar nicht, aber ich habe doch in seinem Gesicht gesehen, dass der Leuchter nicht einfach so von der Decke gekommen ist! Ich könnte schwören, jemand hat sich daran zu schaffen gemacht und wollte nicht mich, sondern den jungen Herrn Nichts treffen. Und da habe ich mich natürlich an Ihre Warnung erinnert, Herr Doktor, was die Baroness anbelangt. Und jetzt lebe ich in beständiger Angst um den jungen Herrn Nichts, wie Sie sich denken können. Und nicht nur ich, Ruben auch. Er hat die ganze Nacht vorm Zimmer des jungen Herrn Nichts gewacht und lässt ihn auch gar nicht mehr aus den Augen. Einmal hat er für einen Augenblick nicht gewusst, wo der Junge steckt, und ist gleich ganz aufgeregt darüber geworden. Aber dann stand der junge Herr Nichts einfach in der Küche, als sei nichts geschehen. Aber dass ich einen Brief an Sie schreibe, Herr Doktor, das wollte Ruben trotzdem nicht, so schlimm es auch steht. Er weiß mehr als wir, Herr Doktor, aber er will’s nicht sagen und will auch gar nicht, dass es ans Tageslicht kommt.
    Ich halte es aber für meine Christenpflicht, zu sagen, dass in Wunderlich etwas faul ist. Seit der Leuchter von der Decke gekommen ist, haben wir weder von Hochwürden noch von der Baroness etwas zu Gesicht gekriegt. Ich glaube, dass beide im Spielzimmer verschwunden sind, aber traue mich nicht hinein, um nachzuschauen. Die verstorbene Baroness, Gott hab sie selig, hat mich nie ins Spielzimmer lassen, und Ruben würde mich jetzt auch nicht lassen. Sie

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