Die unwillige Braut (German Edition)
Deckel ihrer hölzernen Kleidertruhe und nahm einige Schichten heraus, ehe sie den ledernen Einband des Rezeptbuches ihrer Mutter ertastete, verblasst vom Alter und abgegriffen. Die vergilbten Blätter aus Pergament waren eng mit Schriftzeichen bedeckt, teils in Englisch, teils auf Latein und teils war es Runenschrift, die sie kaum noch zu entziffern vermochte. Aber egal, hier würde sie etwas finden.
Es dauerte einige Zeit, bis sie zusammengetragen hatte, was sie brauchte, denn es war Herbst und die Zeit für Blüten und frische Blätter war vorüber. Dennoch fand sie Wurzeln des Wurmfarnes und der wilden Karotte, etwas Saat von Kreuzkümmel und Endivie, Blätter von Verbene, Malve und Labkraut. Und während der nächsten Stunde zerstampfte sie die Zutaten mit ihrem Mörser zu einer grünlichen Paste, von der sie hoffte, dass man sie im Bier in dem irdenen Krug nicht bemerken würde.
4. Kapitel
Fernes Donnergrollen veranlasste den braunen Hengst, die Ohren zu spitzen und nervös hin und her zu tänzeln, dadurch kam Jude auf dem hohen Sattel zu einem anderen Blickwinkel auf die Szenerie. "Ruhig", sagte er und sah hinüber zu den dunklen Umrissen der Bäume. Vor zwei Tagen noch war er hier ein Fremder gewesen. Jetzt hatte er sich vertraut gemacht mit dem Verlauf der engen Gassen, den Märkten, Werften und Kirchen, den Toren in der hohen Stadtmauer und hatte bald den anderen, zweiten Weg gefunden, auf dem man Toft Green verlassen konnte, ohne gesehen zu werden. Der von ihm beorderte Wachtposten hatte Rhoeses Bruder und ihre beiden Vertrauten zum Haus des Priesters entkommen lassen, obwohl er auch dort einen Wächter aufgestellt hatte, damit der junge Mann in Sicherheit war. Die Gerüchte über Erics Schuld glaubte Jude keinen Augenblick. Ganz im Gegenteil. Eric hatte ihn mit seiner Intelligenz beeindruckt, mit seiner Haltung, seiner Höflichkeit, und Jude hatte daran gedacht, wie nützlich es wäre, ihn zum Verbündeten zu haben in dieser so seltsam zerstrittenen Familie.
In rascher Gangart näherte sich ihm von den Bäumen her ein Wachtposten, der bewölkte Himmel spiegelte sich in seiner Hellebarde. "Drüben auf dem Anwesen der Lady", rief er. "Sie ist gefangen worden. Sie macht es ihm nicht leicht, aber er ist ein Bulle von einem Mann, und er hat es eilig."
"Wohin geht er?" rief Jude zurück und machte mit seinem Pferd auf der Stelle kehrt. "Hat er ein Pferd?" Er setzte dem Tier die Sporen in die Flanken, und schon fiel es in Trab.
"Nein, Sir. Sie sind unterwegs zu der alten Römeranlage hinter den Bäumen, gleich bei der Stadtmauer. Auf dem Land gibt es alte Hütten. Wir können diesen Weg hier nehmen."
"Ha!" rief Jude. "Ich dachte mir schon, dass es nicht lange dauern wird, ehe er wieder auftaucht. Los, kommt. Es würde dem König nicht gefallen, wenn sie gerade zu diesem Zeitpunkt entkommt. Und mir auch nicht", fügte er leise hinzu.
Hinter den Bäumen lag der verlassene Landstrich, wo sich die flachen, steinernen Ruinen früherer römischer Siedlungen mit verlassenen Hütten vermengten, halb verbrannt von den normannischen Verwüstungen, die noch nicht so lange zurücklagen. Knorrige, alte Holunderbüsche, Nesseln und die weißen Köpfe von Weidenröschen schwankten im Wind, während eine Schar schreiender Krähen vor ihnen aufflatterte. Jude hielt an und bedeutete seinen Männern, zurückzubleiben. Er überquerte die Ebene zu Fuß, duckte sich von Baum zu Baum, bis er zu der baufälligen Hütte kam, aus der streitende Stimmen zu vernehmen waren. Die Mauern aus Lehmflechtwerk waren dünn und brüchig, und es dauerte nicht lange, bis Jude ein Loch fand, durch das er in das dämmrige Innere schauen und jedes Wort mithören konnte.
In der einen Hand hielt der Mann einen Sack, und an Rhoeses zerzausten Haaren erkannte Jude, dass der bis eben noch über ihren Kopf gestülpt war. Selbst in dem schwachen Licht war ihr Zorn deutlich zu erkennen, denn sie schlug Warin ins Gesicht, ehe er sich ducken konnte, so heftig, dass sein Kopf zur Seite ruckte.
"Um Himmels willen, Rhoese!" brüllte er. "Hör auf damit! Und beruhige dich. Diesmal bin ich nicht so betrunken wie neulich in der Nacht, und du kannst mir zur Abwechslung einmal zuhören." Er hielt sich die Hand ans Gesicht. "Allmählich wirst du genauso schlimm wie sie."
"Warin!" schimpfte Rhoese. "Wann geht es endlich in deinen Dickschädel hinein, dass du nicht zurückkommen kannst? Es ist aus und vorbei. Ich will dich nicht in meinem Leben haben.
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