Die unwillige Braut (German Edition)
flüsterte er und küsste ihre Stirn. "Damals wart Ihr so viel selbstsicherer, brauchtet niemanden und nichts, nur Euren Besitz und Eure Ruhe. Jetzt habt ihr beides verloren, und Ihr braucht mich. Das ist es, was sich geändert hat."
"Und Ihr habt begonnen, Euch über mein Herz Gedanken zu machen?" Sie fühlte an ihrer Haut, wie er lächelte, und wusste, sie hatte etwas falsch verstanden. Es war ihm egal.
"Nur soweit es mit dem Besitz zu tun hat", sagte er, wie sie es vorausgesehen hatte, und konnte ein taktloses Lachen nicht unterdrücken. "Es muss weiterschlagen, bis Ihr mir einen Erben geboren habt. Wie ich schon sagte, es liegt an Euch, wie Ihr damit umgeht."
Doch während sich ihr über seine gefühllose Entgegnung die Haare sträubten, erkannte sie, dass sie damit hätte rechnen müssen, nachdem sie mit angesehen hatte, wie mitleidlos er mit Warin umgegangen war. Sie hätte es besser wissen müssen. Jetzt hatte sie mit ihrer sinnlos herausfordernden Frage nur sich selbst neuen Schmerz zugefügt. "Natürlich", erwiderte sie kühl. "Von Herzen versteht Ihr nichts, nicht wahr?"
"Nein", sagte er. "Ich wüsste nicht einmal, wo ich nach einem suchen sollte. Aber keine Angst, in anderen Bereichen der Anatomie kenne ich mich besser aus."
Dieser Mann ist ein Rätsel, entschied sie, ein weitaus schwierigeres Rätsel als jene, mit denen sie sich am Abend nach dem Essen zu amüsieren pflegten. So kühl und diszipliniert, doch bei der Liebe voll brennender Energie, denn trotz ihrer Proteste, dass dies alles viel zu schnell ginge, hatte er bereits ihre Neugier geweckt. Und jetzt, da sie die Kontrolle über alles verloren hatte, ihre Integrität eingeschlossen, würde ihre selbst gewählte Keuschheit das Nächste sein, das ihr aus den Händen glitt.
Der Regen hatte sich seinen Weg durch das verrottete Dach gebahnt, und sie waren gezwungen hinauszugehen und zu Fuß nach Toft Green zurückzuwandern, denn der Knappe war mitsamt den Pferden verschwunden. Jude hielt sie am Handgelenk, hatte ihren Arm unter den seinen geschoben, und gemeinsam gingen sie schweigend dahin, zum Schutz vor dem Regen nur den Sack über die Köpfe haltend. Diesmal aber sah sie immerhin, wohin sie ihren Fuß setzte.
Sein erster Weg führte Jude in den Stall. "Ihr geht hinein", rief er ihr über das Prasseln des Regens hinweg zu. "Ich komme gleich nach." Als er zurückkehrte, waren sowohl Els als auch sein Knappe bei ihm, beide sehr darum bemüht, ihren Pflichten wieder nachzukommen. Dennoch hatte Els ein schlechtes Gewissen, als sie sah, dass die Flüchtlinge heimgekehrt waren, während sie dem jungen Knappen "geholfen" hatte. Inzwischen hatten sie sich neben dem Feuer ausgekleidet, während ihre Sachen aufgehängt wurden und langsam trockneten. Kaum jemals zuvor hatte es in Rhoeses Haushalt so viele fast nackte Männer gegeben, vor allem, als Jude und sein Knappe Pierre es den anderen gleichtaten und sich wie Familienmitglieder mit Bier und Honigkuchen ans Feuer setzten. Ihre bloßen Oberkörper schimmerten in den Flammen wie reife Aprikosen.
Nachdem Rhoese sich in ihrer Kemenate umgezogen hatte, gesellte sie sich wieder zu den anderen. Allerdings hätte sie sich gewünscht, dass man die Normannen, die Eindringlinge, weniger warmherzig behandeln würde, obwohl die englische Gastfreundschaft verlangte, dass jedem, der darum bat, ein Platz am Herdfeuer gewährt wurde. Dennoch grenzte der Grad der Freundschaftlichkeit, der sich sofort zwischen ihm und ihrem Bruder entwickelt hatte, schon an Verrat, wenn sie auch ihre Missbilligung nicht zu zeigen wagte. "Neal", fragte sie, als er zu ihr ans andere Ende der Halle kam. "Geht es meinem Bruder gut? Er scheint seinen zukünftigen Schwager zu mögen. Nie hätte ich gedacht, dass er meine Neuigkeiten so gut aufnimmt."
"Es ging ihm nie besser, Mylady", erwiderte Neal und fuhr sich mit den Fingern durch das dichte blonde Haar. "Der Normanne hatte vor Pater Leofrics Haus Wachen aufgestellt. Ihm haben wir es zu verdanken, dass wir alle in Sicherheit waren."
Sie ließ den Blick zu der herrlichen Gestalt des Normannen schweifen, zu seinen langen, muskulösen Beinen, die er der Wärme entgegenstreckte. Während er Eric zuhörte, hatte er die Arme auf die Knie gestützt. Ihre Köpfe waren nahe beieinander. "Tatsächlich?" fragte sie und nahm eine lederne Flasche vom Tisch. "Das ist dankenswert. Würdest du mir bitte den Becher des Normannen bringen, damit ich ihn nachfülle?"
Gehorsam brachte Neal die Becher
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