Die unwillige Braut (German Edition)
einmal im Unterholz stürzte, wenn sich ihre Kleidung im Gebüsch und in den niedrigen Zweigen verfing.
Schließlich riss sie sich mit fliegenden Fingern los, nur um festzustellen, dass ihr nun das große, schnaubende Pferd mit seinen stampfenden Hufen den Weg versperrte, und dann, als sie ausweichen wollte, ihr seine Hinterpartie im Weg stand. Aus dem Dunkel heraus griff eine Hand nach ihr, packte sie, und im selben Moment warf sie das Bündel mit aller Kraft von sich, tief in das Unterholz hinein, wehrte sie sich voller Entsetzen gegen die starken Arme, die sie zwischen die Bäume zogen und festhielten, während sie zappelte und protestierte. Angst lag in ihrer Stimme, als sie flehte: "Lasst mich los – bitte! Ich bin Lady …"
"Lady Rhoese of York. Ich weiß, wer Ihr seid", flüsterte Jude ihr ins Ohr. "Und Ihr verstoßt gegen die Ausgangssperre, darauf steht eine Nacht im Gefängnis, was Ihr vermutlich wisst. Und jetzt, Mylady, entdecke ich da vielleicht einen Wandel in Eurem Verhalten? Wollt Ihr wissbegierige Normannen immer noch so schnell loswerden?"
"Ihr!" fauchte sie und versuchte, sich gegen seinen festen Griff zu wehren. "Was tut Ihr denn hier draußen nach der Ausgangssperre, Sir? Lasst mich los, verdammt sollt Ihr sein!"
"Wie schnell Euer Herz schlägt!" Er hatte die Hand unter den Umhang geschoben, ließ sie jetzt höher gleiten, bis er ihre Brust umfasste und leicht den Daumen hin und her bewegte – ein Verstoß gegen die Sitten einer Dame gegenüber, so ernst wie der gegen die Ausgangssperre.
"Nein – nein!" wehrte sie sich. "Kein Mann darf eine Frau so berühren. Lasst mich gehen!"
"Dann sagt mir, was Ihr um diese Zeit hier draußen macht, mitten in der Nacht, und wen Ihr hier treffen wollt. Einen Liebhaber, nicht wahr?" Er bewegte die Hand nicht mehr, nahm sie aber auch nicht weg.
"Das geht Euch nichts an. Das ist meine Angelegenheit."
"Nicht um diese nächtliche Stunde, Lady. Sagt es mir."
Es gelang ihr nicht, seine Arme wegzuschieben. "Wenn Ihr es schon wissen müsst – ich war unterwegs nach St. Martin", erklärte sie wütend, "um mit Pater Leofric zu sprechen. Sein Zehnter ist heute fällig."
"Und das kann nicht bis morgen warten? Der Priester wird kaum verhungern wegen Eures Zehnten, oder?"
Rhoese verstummte. Ihr Besuch hatte nichts mit den Zehnten zu tun, aber sie konnte diesem Normannen nicht gut den wahren Grund sagen: Die Ursache für ihren nächtlichen Ausflug war, dass er vorher hier herumgeschnüffelt hatte.
"Na gut", sagte er und drehte sie herum, so dass sie ihn ansehen musste. "Wenn Ihr mir nicht mehr erzählen wollt, könnt Ihr das morgen dem Sheriff erklären, wenn Euch das lieber ist. Ein Verstoß gegen die Ausgangssperre ist eine ernste Angelegenheit, und Ihr solltet ein Beispiel geben."
"Bitte – nein, bitte nicht! Das ist nicht nötig!" Sie stieß mit den Händen gegen seine Brust, spürte die weiche Wolle seines Umhangs und das untere Ende der Fibel an seiner Schulter. Viel konnte sie nicht von ihm sehen, doch sie spürte seinen Atem auf ihren Lidern, als er sprach, und sobald er seine Hand zurückzog, spürte sie eine Kühle an ihrer Brust. All die Ängste und dunklen Vorahnungen, die sein Interesse und seine Beobachtung bei den Einnahmen der Abgaben vorhin geweckt hatten, kehrten jetzt zurück wie Dämonen der Nacht und warnten sie davor, ihn noch mehr zu reizen. Die Normannen stellten eine machtvolle Kraft dar, und wenn sie vor dem Sheriff erscheinen musste, könnte das leicht all ihre Bemühungen, sich aus dem öffentlichen Interesse fern zu halten, zunichte machen. Der Mann musste besänftigt werden.
"Nein?" fragte er leise. "Habt Ihr dann einen anderen Vorschlag?"
"Gastfreundschaft?" schlug sie vor. "Ihr könntet in die Halle kommen und meinen Bruder spielen hören. Er ist ein guter Harfespieler. Ich könnte Euch Met anbieten oder Bier."
"Und mich zweifellos vergiften?"
"Nein, das nicht. Das meinte ich nicht. Mein Kaplan wird Euch selbst einschenken, wenn es das ist, was Ihr fürchtet."
"Und sonst, Lady? Habt Ihr mir sonst noch etwas zu bieten?"
Rhoese erstarrte. Mit jeder Faser ihres Körpers war sie gewahr, in welche Richtung seine Fragen zielten. Sie wappnete sich gegen die Beleidigung und die Hilflosigkeit, die ihre Situation mit sich brachte, und konnte doch nichts gegen die plötzliche Erregung tun, die in ihr hochstieg. Unwillkürlich musste sie daran denken, wie er im Hof vor ihr gestanden, ihrem Blick standgehalten hatte und ihren
Weitere Kostenlose Bücher