Die unwillige Braut (German Edition)
war verflogen. Sie reagierte durchaus auf ihn, trotz allem, was sie versuchte, um sich zurückzuhalten, kühl und gleichmütig zu bleiben. Er würde es wissen. In diesen Dingen hatte er Erfahrung. Ja, er würde es ganz bestimmt wissen.
Nein, du darfst es ihn nicht merken lassen. Reiß dich los, ehe es zu spät ist.
Heftig stieß sie ihn zurück, ohne Rücksicht auf Verluste, und als sie seine kundigen Hände nicht mehr fühlte, bemächtigte sich ihrer mit einer solchen Leichtigkeit ein so ungeheurer Zorn, dass Rhoese selbst erschreckte. "Ihr irrt Euch, Sir!" fuhr sie ihn an. "Niemals werdet Ihr der richtige Mann sein, um meine Verachtung für Eure Art zu verstehen. Es würde mir leichter fallen zu begreifen, was im Kopf einer Kröte vor sich geht. Vermutlich habt Ihr Euch auf meine Kosten genug amüsiert, daher könnt Ihr jetzt …"
Den Rest ihres Wortschwalls erstickte er, indem er ihr die Hand auf den Mund legte. "Wenn es Euch nichts ausmacht, dann fangt bitte nicht schon wieder an. Die Nacht bietet für mich genügend Stunden für mein Amüsement, wie Ihr es nennt, und dass Ihr nicht willig seid, ist für mich nicht von Bedeutung. Wenn Euch Eure Tugend so kostbar ist, dann solltet Ihr lernen, Eure Zunge zu hüten. Ich dachte, das hätte ich deutlich zu verstehen gegeben. Soll ich Euch noch einmal zeigen, wer hier der Herr ist?"
Normannischer Schurke. Niederer Abschaum. " Nein", flüsterte sie. "Lasst mich in Ruhe. Ich finde allein nach Hause. Lasst mich einfach nur in Ruhe." Noch immer musste sie das Paket aus dem Unterholz bergen, und ihr Ärger verrauchte nicht im Mindesten, denn diese ganze Episode war offensichtlich nur inszeniert worden, um sie einzuschüchtern und diesen überheblichen Normannen zu belustigen. Jetzt würde er darüber lachen, seinen Freunden davon erzählen, die interessanten Stellen hervorheben und ihre Beschämung genießen. Vor allem aber richtete sich ihr Zorn gegen sie selbst, weil sie zugelassen hatte, dass dies passierte, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, sich zu wehren. Dummes, schwaches Weib. So viel dazu, wie sehr sie Männer verachtete. Zutiefst beschämt schlug sie nach ihm, hämmerte verspätet, dafür umso heftiger, mit den Fäusten gegen seine Schultern.
"Raubkatze!" Er lachte. Trotz der Finsternis gelang es ihm, ihre Handgelenke zu packen. "Kommt, Lady. Es ist Zeit, Euch für die Nacht sicher zu verwahren." Ohne sie loszulassen, trat er beiseite.
"Verwahren? Nein!" rief sie und zerrte, um sich zu befreien. "Das war nicht ausgemacht."
"Still, Weib. Ich weiß, was ausgemacht war. Ich bringe Euch heim. Ihr müsst Euch keine Sorgen machen, ich werde die Grenzen Eures Territoriums nicht noch einmal verletzen. Aber glaubt nur nicht, dass dies das letzte Mal ist, dass Ihr mich seht." Er fasste sie am Arm und führte sie zu dem wartenden Hengst.
Wie sollte sie ihn erkennen? In Kettenhemd und Helm sahen sie alle mehr oder weniger gleich aus. Würde er als Höfling kommen oder die Ausrüstung des Kriegers tragen? "Euren Namen, Sir. Wie heißt Ihr?"
"Das werdet Ihr morgen bei Tagesanbruch erfahren."
"Das bezweifle ich. Wenn es nach mir geht, werdet Ihr mich morgen nicht zu sehen bekommen."
"Ihr glaubt es nicht? Nun, das weiß ich besser, Mylady. Seid versichert, morgen werden wir uns wiedersehen."
Dazu ließ sich nichts mehr sagen, denn eine sinnlose Unterredung zu verlängern war das Letzte, was Rhoese am Herzen lag.
Selbst die Hunde mit ihren scharfen Ohren regten sich nicht, als Jude sie sicher zur Tür ihrer Kemenate geleitete und sie ihr öffnete, ehe sie den Arm nach der Tür ausstrecken konnte. Dabei hielt er sie fest, bis er sich ordentlich verabschiedet hatte. "Bis morgen, Mylady", sagte er und verneigte sich leicht. "Und geht nicht wieder nach Beginn der Ausgangssperre hinaus."
"Gewiss nicht", fuhr sie ihn an. "Man weiß ja nie, welchem Gesindel man begegnet."
"Genau", gab er zurück. "York ist eine gewalttätige Stadt. Schlaft gut." Mit einer einzigen eleganten Bewegung stieg er aufs Pferd, wandte sich um und trabte davon, in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Rhoese blieb zurück, verwirrt und erschrocken. Noch immer spürte sie seine Berührungen auf ihrem Leib. Außerdem sorgte sie sich wegen des Pakets, das für Pater Leofric bestimmt gewesen war und das durch eine Nacht im nassen Unterholz leicht Schaden nehmen könnte. Allerdings verspürte sie ganz und gar nicht den Wunsch, in dieser Nacht noch einmal hinaus in den Wald zu gehen. Von
Weitere Kostenlose Bücher