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Die Unzertrennlichen

Die Unzertrennlichen

Titel: Die Unzertrennlichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Faschinger
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Herzen krank«, sang Regina mit ihrem unverwechselbaren Mezzosopran.
    »Auf das Vertrauen!«, hatte sie damals mit leuchtenden Augen und geröteten Wangen gesagt und ihr Glas erhoben. »Und auf uns! Auf die Unzertrennlichen!«
    »Ruhe, ruhe, meine Seele, deine Stürme gingen wild …« Eine Stimme, subtil und direkt, zärtlich und gefährlich.
    Emma machte keine Anstalten, das Gerät auszuschalten, und Regina sang weiter. Wir waren wie erstarrt, ein Standbild, herausgenommen aus der Bildfolge einer Filmsequenz.
    »… ruhe, ruhe, meine Seele, und vergiss, was dich bedroht.«
    »Ausschalten, habe ich gesagt!«, schrie Stefan. Er klammerte sich noch immer am Tischrand fest.
    Ich stand auf und ging über den leuchtend blauen Teppich, um den wir auf einer Reise zu dritt im Bazar in Izmir gefeilscht und für den wir einen viel zu hohen Preis bezahlt hatten, zu Emma hin. Als ich mich bückte, um den CD -Player auszuschalten, der auf einem niedrigen Tischchen stand, fiel mein Blick auf einen Rahmen an der Wand, in dem auf schwarzem Samt die silberne Kette mit dem Mondstein aufgezogen war.
    »Wie sind wir wandermüde – ist dies etwa der Tod?«, sang Regina.
    Richard Strauss. Vier letzte Lieder.
    Ich berührte die Taste. Die Musik verstummte.
    »Er kann mich nicht leiden«, stellte Emma fest, während wir zurückfuhren.
    »Du ihn auch nicht«, sagte ich.
    Emma streckte sich und drückte mit den Handflächen gegen das Innere des Autodaches. Wir waren hastig aufgebrochen, und Stefan hatte uns nicht zurückgehalten.
    »Hm«, sagte sie dann, »er ist merkwürdig. Und er war wirklich unhöflich. Zuerst nimmt er kaum Notiz von mir, und dann schreit er mich an. Schließlich konnte ich nicht ahnen, dass ich eine CD seiner verstorbenen Frau aufgelegt hatte, ich wusste nicht einmal, dass sie Sängerin war. Du wolltest mir ja nichts über sie erzählen.« Sie sah mich von der Seite an. »Er hatte nur Augen für dich. Vielleicht war er eifersüchtig auf mich?«
    »Bist du verrückt?«, sagte ich und wunderte mich über meinen heftigen Ton. »Regina war die Liebe seines Lebens, er hat ihren Verlust nie verwunden, hast du das nicht bemerkt? Sie war sein Ideal. Sie war unser Ideal!«
    »Tatsächlich?« Sie blickte skeptisch. »Auf jeden Fall war sie sehr schön. Wenn es sich um die Frau auf all den Fotos handelt, wie ich stark annehme. Das Haus ist eine einzige Erinnerungsstätte.«
    Bevor wir nach Wien zurückfuhren, verabschiedeten wir uns von den Großeltern. Meine Großmutter wusste bereits Bescheid über unseren Besuch bei Stefan, was mich nicht erstaunte. Hier ließ sich nichts verheimlichen, die Leute langweilten sich zu Tode, ihre Gier nach allem, was von außen kam, war unersättlich.
    »Wie geht es dem Doktor König?«, fragte sie unverblümt und setzte, ohne meine Antwort abzuwarten, hinzu: »Schlecht natürlich. Wie soll ein Mensch sich von einem solchen Schlag erholen, frage ich dich. Schwer geprüft, unser Doktor König.« Sie wandte sich an Emma. »Eine Tragödie, diese Geschichte, Frau Emma«, sagte sie. »Furchtbar, furchtbar. Da führt der Allmächtige zwei Menschen zusammen, die füreinander geschaffen sind wie kaum ein anderes Paar, und ein erbarmungsloses Schicksal reißt sie auseinander, viel zu früh, viel zu früh. Ach ja, mitten im Leben sind wir vom Tode umgeben, ich sage es immer wieder, nicht wahr, Ägyd?«
    Sie blickte meinen Großvater an, der, die steirische Ausgabe der Kleinen Zeitung auf dem Schoß, mit offenem Mund in seinem Sessel schlief.
    »Er schläft schon wieder, er schläft ununterbrochen«, sagte sie, dann schrie sie unvermittelt: »Sage ich es nicht ständig, Ägyd!«
    Mein Großvater fuhr aus seinem Sessel hoch.
    »Was?«, fragte er.
    »Dass wir mitten im Leben vom Tode umgeben sind!«
    »Ja, ja, Toni!«, rief mein Großvater.
    Die Großmutter wandte sich wieder an Emma.
    »Ich schwöre Ihnen, Frau Emma, eine Liebe, eine Hingabe, ein Glück, unvorstellbar! Frau Regina war ein Engel in Menschengestalt, und das ist keine Übertreibung. Eine Zartheit, eine Anmut – und diese Stimme! Überirdisch. Wenn sie die Messe gesungen hat, hat die halbe Gemeinde geweint. Sie hat nie auch nur einen Groschen für ihren himmlischen Gesang genommen, obwohl sie sogar im Grazer Stefaniensaal gesungen hat. Vor ausverkauftem Haus.«
    Sie drehte sich um.
    »Sage ich die Wahrheit oder nicht, Ägyd? – Man glaubt es nicht, er ist schon wieder eingeschlafen.« Und erneut zu Emma: »Frau Regina war die Güte in Person.

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