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Die Unzertrennlichen

Die Unzertrennlichen

Titel: Die Unzertrennlichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Faschinger
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unausgeschlafener, totenbleicher jüngerer Mann mit nassen schwarzen Kraushaaren im Frühstückszimmer, der aussah, als habe er ein Magengeschwür. Auf allen horizontalen Oberflächen außer auf den Esstischen der Gäste standen entweder Töpfe mit Pflanzen oder Zierfiguren aus Porzellan in allen Größen. Nahezu jeder Quadratzentimeter Wand war von Stillleben und Meereslandschaften in schweren Rahmen bedeckt. Es war ungemütlich kühl im Raum. Aber der Kaffee schmeckte ausgezeichnet.
    »Seien Sie herzlich willkommen in meiner bescheidenen Herberge!«, sagte die Dame, offenbar die Pensionswirtin. Sie bewegte sich schnell und resolut, die hohen Absätze ihrer kirschroten Lacksandalen klickten laut auf dem Fliesenboden. »Achille hat mir erzählt, dass Sie gestern angekommen sind. Unser Rezeptionist. Er hat mir verraten, dass Sie ausgezeichnet Italienisch sprechen. Über Gäste aus dem Ausland freuen wir uns natürlich besonders. Ich hoffe, Sie haben gut geschlafen.«
    Achille. Ich fühlte mich in das bemerkenswerte neapolitanische Universum der gesprächigen Wienerin aus dem Zug versetzt. Der totenbleiche junge Mann erhob sich seufzend von seinem Tisch und ging zur Tür. Wie er wohl mit Vornamen hieß?
    »Bis heute Abend, Signora Smaldone«, sagte er mit kummervollem Blick und verließ das Zimmer.
    »Ein liebenswürdiger Mensch, Signor Tucci«, sagte die Signora, »ein bisschen trübsinnig, aber liebenswürdig. Er hat Probleme mit dem Magen, wissen Sie. Ein so junger Mensch! Ein Handelsreisender aus Caserta. Er kommt dreimal im Jahr auf die Insel und mietet ein Zimmer für eine Woche. Immer Zimmer Nummer fünf. Halbpension. Ich mache ihm einen guten Preis. Ihnen auch, wenn Sie wollen. Wie mir meine Gäste nicht selten versichern, bin ich eine exzellente Köchin.« Sie legte den Kopf schief und verzog die Lippen zu einem Lächeln, das gewinnend sein sollte, aber eher wie das Zähnefletschen eines Raubtieres wirkte und mich ein bisschen beunruhigte, ähnlich wie das Lächeln meiner Großmutter, der katholischen Hexe. »Das sage ich in aller Bescheidenheit. Sie sind das erste Mal hier, nicht wahr? Darf ich fragen, wer Ihnen unsere Pension empfohlen hat?«
    »Ein guter Freund von mir, Herr Doktor König.«
    Signora Smaldone blieb abrupt stehen, das rhythmische Klicken ihrer Sandalen brach ab: »Der Signore Dottor König? Was sagen Sie? Der Dottore! Der Unglückselige!« Sie berührte den Anhänger an ihrer Halskette, ein kleines rotes Hörnchen. »Eine entsetzliche Geschichte! Wir alle sprechen noch heute mit Schaudern davon.« Es schauderte sie tatsächlich, und sie führte das Hörnchen an die Lippen, küsste es und bekreuzigte sich. »Ach, unsere herrliche Insel ist dieser Frau mit der begnadeten Stimme zum Verhängnis geworden. Signora Regina. Eine solche Stimme, schön wie ein Bild und die Güte selbst! Die Güte und die Warmherzigkeit! Der Dottore hat sie auf Händen getragen, kein Wunder. Er lag ihr zu Füßen. Jeder konnte sehen, dass er sie anbetete.«
    Die lebhafte Rhetorik der Signora verwirrte mich ein bisschen. Da hörte sie unvermittelt auf zu reden und schaute mich mit ihren runden, haselnussbraunen Augen prüfend an.
    »Sind Sie verheiratet?«
    »Nein«, sagte ich.
    »Nein? Aber Sie sind doch katholisch?«
    »Nein, auch nicht«, sagte ich.
    »Nicht verheiratet und nicht katholisch!«, rief die Pensionswirtin aus, legte den Kopf schief und bedachte mich mit einem zugleich bedauernden und missbilligenden Blick. »Sie Arme! Gehen Sie denn nicht in die Kirche?«
    »Nein«, wiederholte ich, und mir wurde klar, dass ich diese eine Silbe auf meiner Reise bisher häufig ausgesprochen hatte.
    »Nein? Da entgeht Ihnen viel. Ich werde jedenfalls den Sonntag nie vergessen, an dem die Signora in der Kirche der Madonna delle Grazie die Messe gesungen hat. Kein Auge ist trocken geblieben, ich schwöre es Ihnen, kein einziges! Selbst den Stein der Statue des heiligen Antonius hat ihre Stimme erweicht – der Ministrant, der kleine Paolo Campanella, der Sohn des Automechanikers, der direkt neben unserem Heiligen gestanden ist und die Altarschelle geläutet hat, kann bezeugen, dass ihm eine Träne über die marmorne Wange geronnen ist.«
    Ich sah die Pensionswirtin an, und wieder dachte ich an meine Großmutter, die von den Italienern nicht viel hielt, wiewohl neben slowenischem und etwas deutschem sicher auch italienisches Blut in ihren Adern floss. Signora Smaldone war gut ein Vierteljahrhundert jünger als diese und

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