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Die Unzertrennlichen

Die Unzertrennlichen

Titel: Die Unzertrennlichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Faschinger
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glich ihr nicht im mindesten, aber ihre Art, sich auszudrücken, war ähnlich. Eine Schauspielerin. Das katholisch Dramatische ließ sich schwer verleugnen.
    Die Signora trat an meinen Tisch. »Sie erlauben?« Sie setzte sich und rückte mit dem Stuhl, dessen Beine über die Fliesen scharrten, nahe an mich heran. »Aber, wissen Sie, eine solche Begabung, eine solche Schönheit, ein solches Eheglück, das zieht natürlich ungeheuer viel Neid auf sich.« Sie rückte noch näher. »Ich werde Ihnen sagen, was wir alle hier über dieses Drama denken«, flüsterte sie, machte eine Pause und riss ihre großen runden Haselnussaugen noch weiter auf. »Wir glauben, dass jemand sie mit dem bösen Blick verhext hat. Jemand von uns, verstehen Sie. Aus Missgunst. Eine Frau natürlich. Ich habe da so meine Vermutungen. Jedenfalls ist das die einzig plausible Erklärung.«
    Wieder berührte sie das kleine rote Hörnchen. Ein Cornicello, wie es so viele in Süditalien an einem Kettchen um den Hals oder als Schlüsselanhänger tragen, aus Koralle, Glas oder Kunststoff, zur Abwehr von Schadenzauber, gegen den bösen Blick. Dann lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück.
    »Eine so gute Schwimmerin ertrinkt nicht einfach und wird nie wieder gefunden«, fuhr sie lauter, in entschiedenem Ton fort. »Nein, nein, es war der Malocchio, der sie ins Verderben gestürzt hat. Das böse Auge und nichts anderes. Sie hätte mich berühren sollen.«
    Sie bemerkte meinen fragenden Blick.
    »Ja, das hätte sie! Dann wäre ihr nichts geschehen. Wissen Sie, ich bringe Glück. Es ist angeboren. Die Leute berühren mich, treffen kurz darauf die Liebe ihres Lebens, werden befördert oder gewinnen viel Geld im Glücksspiel. Beim Pferdewetten zum Beispiel. Oder im Lotto. Berühren Sie mich doch auch!«
    Ich machte keine Anstalten. Da griff die Signora rasch nach meiner Hand und führte sie kurz an ihre Stirn.
    »Jetzt werden Sie Glück haben«, sagte sie, lächelte zufrieden, stand auf und verließ den Frühstücksraum.
    Als ich in mein Zimmer zurückkam, saß ein junges Mädchen mit ungepflegten dunklen Haaren auf dem Bett und wiegte die große Plastikpuppe mit dem hängenden linken Augenlid versonnen in ihren Armen. Sie sah mich, errötete, sprang auf, ließ die Puppe auf das Bett fallen und strich ihre weiße Schürze glatt.
    »Entschuldigung, aber ich wollte gerade das Zimmer aufräumen«, sagte sie dann. »Soll ich später wiederkommen?«
    »Nein, nein«, sagte ich, »bleiben Sie nur. Ich gehe gleich weg, dann sind Sie ungestört.«
    Das Zimmermädchen lächelte erleichtert. Das Lächeln war nicht schön, denn ihre Zähne standen schief.
    »Ich bin Mirella«, sagte sie. »Sie sind aus Österreich, nicht wahr? Achille hat es mir gesagt.«
    »Ja – so wie der Signore Dottor König und seine Frau. Erinnern Sie sich? Es sind – es waren gute Freunde von mir.«
    Das Mädchen erschrak und legte eine Hand auf ihren Mund.
    »Haben Sie auch ihr Zimmer gemacht?«, fragte ich. »Vor zwei Jahren?«
    Mirella blickte zu Boden und schwieg. »Nein, das war meine Schwester«, sagte sie dann leise. »Elettra.«
    Elettra. Es war nicht zu glauben.
    »Die Frau hatte sehr schöne Kleider«, sprach das Zimmermädchen langsam weiter. »Ihr Mann hat sie nach – also, nach dem Unfall nicht mitgenommen. Nach dem Unglück.« Sie bekreuzigte sich mehrmals. »Heiliger Nikolaus und heiliger Florian, bewahrt mich vor dem Tod durch das Wasser«, murmelte sie rasch, dann fuhr sie lauter fort. »Die Chefin wollte die Kleider behalten, aber sie haben ihr nicht gepasst.« Das Mädchen grinste. Zwei der schiefen Zähne waren schwarz. »Sie ist zu dick. Viel zu dick. Na ja, schließlich hat sie Elettra erlaubt, die Kleider mit nach Hause zu nehmen. Wir sind vier Schwestern – Fiorina, Chiara, Elettra und ich. Wir haben die Kleider unter uns aufgeteilt. Wenn wir am Sonntag tanzen gehen, ziehen wir sie an. Damit sind wir die Schönsten.« Mirella lächelte stolz. Oben links hatte sie eine Zahnlücke. »Die Schönsten von allen.« Dann zögerte sie. »Sie haben das Ehepaar gut gekannt, wirklich?«, fragte sie schließlich.
    »Ja, sehr gut«, sagte ich.
    »Ich meine, weil – also, hinterher haben alle gesagt, dass die beiden so glücklich waren. Ununterbrochen glücklich. Überall, wo man sie sah. Ein ideales Paar. Aber Elettra – sie hat gehört, wie sie sich gestritten haben. Wie sie sich angeschrien haben. Und einmal, als sie die Tür öffnete, um das Zimmer aufzuräumen – es war dieses

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