Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Titel: Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
Pflanzen sind.« Voller Abscheu betrachtete Mièville die seltsamen Blumen, die sich fortwährend bewegten und verschwörerisch zu wispern schienen, gerade so, als tauschten sie Gedanken untereinander aus.
    »Sondern?«
    »Etwas anderes. Bezeichnenderweise wächst dieses Kraut nur dort, wo diese Riten vollzogen wurden.«
    Vorsichtig blickte er sich in der Höhle um und lauschte.
    »Wir müssen auf der Hut sein«, mahnte er.
    Emily bemerkte, dass sich Schwärme von Kakerlaken in den Schatten sammelten und an den Wänden emporkrochen. Wenn Dinsdale seine Runden drehte, dann illuminierte sein Licht die wuselnden Massen schwarz glänzender Leiber.
    »Sie sind ungefährlich«, bemerkte Mièville.
    Adam jedoch war keineswegs beruhigt. »Es sieht so aus, als würden sie die Höhle verlassen.« Das Gewusel wurde aufgeregter. »Als hätten sie Angst vor etwas.« Von überall her kamen Kakerlaken gekrabbelt. Sie sammelten sich und zogen von dannen.
    »Vielleicht«, schlug der Tunnelstreicher vor, »sollten wir ebenfalls aufbrechen.« Sein hageres unrasiertes Gesicht wirkte mit einem Mal angespannt. »Das Verhalten der Kakerlaken ist wahrlich untypisch für jene ihrer Art.« Er beobachtete das merkwürdige Treiben. »Und Toulouse«, lenkte er von den Schwärmen ab, »bittet mich also, Euch nach Blanc zu bringen? Zum
cinéma
blanc

    Adam nickte. »Werden Sie uns helfen?« Die Kakerlaken ließ er nicht aus den Augen.
    Mièville sah den Jungen an. »Das will ich doch meinen.«
    Lady Mina stupste Emily an.
    Ich rieche etwas.
    »Was?«
    Ich weiß es nicht. Der Geruch, ist mir fremd.
    Als wolle die Erde selbst diese Bemerkung kommentieren, begann sich mit einem Mal der Grund unter Emilys Füßen zu regen.
    »Was ist das?«
    Mièville schwieg.
    Besorgnis flammte in den zusammengekniffenen Augen auf.
    Dinsdale dimmte sich.
    »Die Erde bewegt sich.« Adam trat neben Emily.
    Er hatte Recht.
    Die Erde begann zu fließen.
    Ja, Sand und Erde und Gesteinsbrocken flossen förmlich zwischen Emilys Füßen hindurch in eine bestimmte Richtung. Zum Rand des Friedhofs.
    Emily musste an eine Sanduhr denken, die man gerade umgedreht hat. Genau so musste es für jemanden aussehen, der sich in der Sanduhr befindet, wenn man diese umdreht. Die Oberfläche, die der Sand gebildet hat, beginnt in der Mitte einzufallen, und langsam entsteht ein strudelartiger Trichter. Der Sand fließt zur Mitte.
    Stetig.
    Unaufhaltsam.
    Und genau so war es auch hier.
    Die Erde und die Steine rutschten allesamt in einen Abgrund hinein, der sich am Rande des Friedhofs, jenseits der welken Gewächse auftat. Die Blumen begannen sich zu bewegen, und wäre ein sanfter Wind durch die Höhle gefahren, dann hätte diese Bewegung auch einen Sinn ergeben. Aber da war kein Wind. Kein Lüftchen. Die Blumen bewegten sich aus eigener Kraft und sonderten einen Geruch ab, der süßlich war und einlullend.
    »Kommen Sie!« Mièville zog Emily und Adam an den Armen vom Friedhof fort.
    Die Blumen begannen jetzt nach ihren Füßen zu greifen.
    Blätter rollten sich zusammen, und schlingenhaftes Geränk begann wild zu wuchern. Es sah aus, als wüchsen die Grabsteine mit einem Mal zu.
    Die Erde begann leicht zu beben.
    Gipsbrocken fielen von der Decke herab und schlugen dicht neben Emily und Adam auf.
    »Das ist ein Abgrund!«, rief Emily dem Tunnelstreicher fassungslos zu.
    Erinnerungen wurden in ihr wachgerufen.
    An London.
    Die uralte Metropole.
    Wie konnte es nur möglich sein, dass sich mitten in der
ténébreuse
ein Abgrund öffnete?
    Doch dann erinnerte sie sich der Worte des Totengottes. Hatte Anubis damals nicht behauptet, dass keine Metropole ohne die Abgründe, die sich in ihr auftaten, zu existieren vermochte?
    Die Blumen zischten.
    Ein Lied mochte es sein.
    Oder auch nicht.
    Staub wirbelte auf, als etwas Großes sich aus dem Abgrund erhob. Einem Fangarm ähnlich und doch wie nichts, was Emily jemals zuvor gesehen hatte.
    Sie war in der Bibliothek von Hampstead Manor auf okkulte Bücher gestoßen. Die
Cultes
de Goules
des Comte d’Erlettes und Ludwig Prinns
De Vermis Mysteriis.
Sie wusste, dass ihr Mentor nach den Vorfällen, die nun vier Jahre zurücklagen, die Werke Abdul Alhazreds studiert hatte. Das, was sich da vor ihr erhob, schien jenen Werken, auf die sie nur kurze Blicke hatte erhaschen können, entsprungen zu sein.
    Der Fangarm, wenn man das Gebilde aus rohem Fleisch und Mündern, die sich fortwährend schlossen und öffneten und dabei eine Reihe zahnähnlicher Gebilde

Weitere Kostenlose Bücher