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Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Titel: Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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der alten Muttergöttin zuwandten. Kalidurga indes, zutiefst in ihrer Ehre gekränkt, verlangte fortan Blutopfer von jenen, die zu ihr flehten und ihre Hilfe erbaten.«
    Eine Geschichte, die mir bekannt war.
    »Viele Menschen huldigten Kalidurga mit Menschenopfern.«
    Maurice Micklewhite berichtete von Schreinen, in denen abgeschlagene Köpfe aufgetürmt wurden. Wo aus Fingern blutige Ketten gefertigt worden waren. Wo sich hölzerne Schalen mit Menschenblut fanden, damit Kalidurga ihren Durst stillen konnte und den Menschen wohlgesonnen war. »Schreine«, beendete der Elf seine Erklärung, »wie wir sie auch drüben in Brick Lane Market gefunden haben.«
    »Natürlich, die indische Mythologie«, murmelte Eliza nachdenklich. »Alexander Grant und Amrish Seth sind die Experten auf diesem Gebiet gewesen.«
    »Also denken Sie, dass Kalidurga nach London gekommen ist.«
    »Nun ja, Miss Fitzrovia. Dies ist zumindest eine Möglichkeit, die wir in Betracht ziehen sollten. Unter den Einwohnern von Brick Lane Market gibt es immerhin nicht wenige, die genau dies glauben. Die von ganzem Herzen davon überzeugt sind, dass es Kalidurga ist, die mit dem Verschwinden all der Menschen zu tun hat.«
    »Deshalb stellen sie die Schreine auf«, sagte ich. »Um Kalidurga zu besänftigen.«
    Eliza Holland verfolgte das Gespräch geistesabwesend.
    »Der Leichnam Amrish Seths«, gab ich zu bedenken, »war nahezu blutleer. Was im Grunde genommen nur eine Schlussfolgerung zulässt, wenn wir von einem Auftauchen der Göttin Kalidurga hier in London ausgehen.«
    »Vetala-pancha-Vinshati«, flüsterte Eliza voller Abscheu. Die seltsame Betonung, mit der sie die Worte aussprach, ließ uns alle erschaudern.
    Es war Emily, die aussprach, was alle dachten.
    »Jemand hat das Blut aus dem Leichnam entfernt.«
    Ausgesaugt.
    Getrunken.
    Wie sie es Alexander Grant in ihrer Toderfahrung hatte tun sehen.
    »Wie nannten Sie es doch gleich?« Maurice Micklewhite fuhr sich mit der Hand durch die blonden Locken. »Vetala-pancha-Vinshanti?«
    »Die Engländer«, sagte Eliza jetzt mit fester Stimme, »benutzen eine andere Bezeichnung für das, wovon sie glauben, es sei Vetala-pancha-Vinshati. Der altmodische Ausdruck für das, wovor sich die Einwohner von Brick Lane Market fürchten, ist sogar den Mädchen hier bekannt.«
    Wir starrten einander an.
    »Es bedeutet Vampyr.«
    Stille.
    »Kalidurga ist demnach ein Vampyr?«, fragte Aurora schließlich.
    Dies war die Schlussfolgerung, zu der uns die Tatsachen geleitet hatten.
    »Kalidurga«, verbesserte Eliza das Kind, »ist eine Gottheit. Eine Göttin, die Vampyre erschaffen kann. Sie ist die Mutter.«
    »Also haben wir es hier mit einem anderen Namen für Kalidurga zu tun?«
    »Nein!«
    Alle starrten wir Eliza Holland an, deren entschiedener Ausruf alle Anwesenden hatte zusammenzucken lassen. Wütend ballte sie die Hand zur Faust.
    »Nein?« wiederholte Maurice Micklewhite.
    »Rymer«, gab ich zu bedenken, »benutzt das indische Vetala-pancha-Vinshati synonym mit dem Wort Vampyr. In seiner Enzyklopädie eindeutig nachzulesen.«
    »In dieser Hinsicht«, belehrte Eliza uns, »irren sie alle. Die Göttin Kalidurga besitzt viele Namen, doch dieser hier ist keiner davon. Rymer bezieht sich auf die Berichte britischer Offiziere und Soldaten, die während ihrer Einsätze in Britisch Indien allerlei Geschichten diesbezüglich gehört hatten.«
    Sollte ich mich tatsächlich geirrt haben?
    War Rymer denn nicht der Experte auf diesem Gebiet gewesen?
    Emily warf mir einen bösen Blick zu. »Sie haben davon gewusst«, zischte sie. »Davon, dass wir es mit diesen Kreaturen zu tun haben.«
    »Ich wollte Sie nicht mit meinen Mutmaßungen behelligen.«
    Sie verdrehte die Augen.
    »Rudyard Kipling«, hauchte Eliza den Namen des Schriftstellers, »hat die entscheidende Geschichte dazu aufgeschrieben. Ja, meine Freunde, und dann hat er jene Stellen in der Geschichte, die als Wahrheit sich einzugestehen ihm letzten Endes zuwider war, aus dem Manuskript getilgt. Das ursprüngliche Manuskript Kiplings aber hat wohl irgendwie seinen Weg bis nach England gefunden. Am Riverside Walk Market unter der Waterloo Bridge stieß ich in einem der Stände auf eine Ausgabe von »The Phantom Rickshaw«, die ohne Jahreszahl und ohne Verlagsangabe veröffentlicht worden war. Ihr wisst, dass ich eine Sammlerin bin, und so habe ich die Ausgabe natürlich umgehend erstanden.« Und während draußen der Regen gegen die Fensterscheiben prasselte, berichtete

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