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Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Titel: Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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losgelassen hätte.
    Eine Weile hatten die beiden dagestanden und nachdenklich den Fluss betrachtet.
    Dann hatten sie ihren Weg fortgesetzt.
    Erst viel später, kurz bevor sie die Blackfriars Bridge erreichten, waren sie der Gestalt gewahr geworden, die ihnen in der Dunkelheit des Uferweges folgte und sich nur durch leise Geräusche bemerkbar machte.
    »Was ist das?« hatte Aurora gefragt.
    »Ich weiß nicht.«
    Angestrengt hatten sie in die Schatten zwischen den Laternen gespäht. Die Äste der kargen Bäume hatten im Wind geächzt. Ein Zug war laut über die Brücke vor ihnen gerattert.
    »Da ist nichts«, hatte Emily geflüstert.
    »Spürst du etwas?« hatte Aurora gefragt.
    Emily hatte den Kopf geschüttelt.
    In der Zwischenzeit war aus ihr eine geübte Trickster geworden. Normalerweise machte es ihr keine Mühe, die Gegenwart anderer Lebewesen allein mit ihren Gedanken zu ertasten.
    Als sie jedoch die Treppenstufen, die vom Uferweg hinauf zur Brücke führen, erklommen, da hatten sie jenes Geräusch erneut gehört
    Das war merkwürdig.
    Atemlos hatten die beiden in die Dunkelheit gestarrt.
    Es waren eindeutig Schritte gewesen.
    Klappernde Absätze auf Stein, diesmal dicht hinterihnen.
    »Wer ist das?«
    Emily hatte es sich verkniffen, in die Dunkelheit hineinzurufen.
    »Lass uns von hier verschwinden«, hatte Aurora vorgeschlagen.
    Dem war nichts hinzuzufügen gewesen.
    Wachsam hatten die beiden ihre Schritte beschleunigt.
    Die lange Treppe hinauf.
    Stufe um Stufe.
    Sie hatten furchtsame Blick zurückgeworfen.
    Jedoch nichts erkennen können.
    Augenblicke später waren die Laute erneut da gewesen und deutlich näher als am Anfang.
    Emily hatte sich umgesehen und dieses Mal war sie sich sicher gewesen.
    Die schattenhaften Konturen eines Körpers hatten sich von der Steinwand abgehoben, die weiter unten die Treppe vom Fluss abgrenzte.
    »Komm!« hatte sie ihre Freundin gedrängelt, und Aurora, die ebenfalls der Gestalt im Dunkeln gewahr geworden war, hatte sich nicht zweimal bitten lassen.
    Erst als sie oben auf der Brücke angelangt und im hellen Licht der Laternen standen, kehrte das Gefühl der Sicherheit zurück, und die vorangegangene Furcht hatte mit einem Mal einer Einbildung geglichen, hervorgerufen durch die Geschichten, die sich die beiden auf dem Weg hinunter zum Fluss erzählt hatten.
    »Entschuldigen Sie,« hörte ich eine Stimme in der rauchigen Atmosphäre der Poetry Performance sagen, »aber Sie sehen aus, als würden Sie auf jemanden warten.« Die Stimme gehörte zu einem jungen Mann. Einen dunklen Tweedanzug mit weißem Hemd trug er, dazu Krawatte und Weste. Klassisch britisch. Steif und distanziert. Seine schmalen Lippen verzogen sich zu einem höflichen Lächeln, als er mich ansprach. Die randlose Brille verlieh dem Gesicht intellektuelle Schärfe.
    »In der Tat«, gab ich zur Antwort und fragte mich, wo ich dem Mann zuvor begegnet war.
    »Miss Holland«, teilte er mir mit ruhiger Stimme mit, »erwartet Sie bereits.« Die hellen Augen musterten mich voller Neugierde. »Bitte folgen Sie mir.«
    Ein Blick auf die andere Seite des Raumes zeigte mir, dass auch Maurice Micklewhite sich von seinem Platz erhoben hatte und uns zuwinkte. Kurz vor der engen Treppe, die in die zweite Etage des
Cheshire Cheese
hinaufführte, stieß der Elf zu unserer kleinen Gruppe.
    »Master Micklewhite ist bereits informiert«, erklärte der Fremde.
    Nach einer kurzen höflichen Begrüßung folgten wir dem Fremden hinauf ins zweite Stockwerk des alten Hauses. Dort oben befanden sich allem Anschein nach die Wohnräume, wohingegen das erste Stockwerk weitere Räumlichkeiten zur Bewirtung der Gäste vorweisen konnte. Es roch nach altem Holz und tief darunter nach Feuchtigkeit, nach staubigen Teppichen, die das Geräusch unserer Schritte im Korridor aufsogen. Wie viele der alten Häuser war auch dieses von einer allgegenwärtigen Enge gekennzeichnet. Die holzgetäfelten Decken legten Zeugnis ab von der Körpergröße der Menschen des 18. Jahrhunderts und waren insbesondere im Treppenhaus oft so niedrig, dass ich mich davor hüten musste, mir den Kopf zu stoßen.
    Der wortkarge, wenngleich höfliche Fremde ging stetigen Schrittes voran, blieb schließlich vor einer Tür aus dunklem Holz stehen und bat klopfend um Einlass.
    »Sie ist nicht verschlossen«, hörten wir eine Stimme von drinnen.
    Ich drückte die verschnörkelte Klinke nach unten.
    Hinter der Tür erwartete uns die perfekte Wiedergabe eines Salons der

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