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Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Titel: Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Kipling sollte sich mit einer Karawane und einem Großteil der bisher angehäuften Reichtümer auf den Rückweg nach Indien machen, Carnehan und Dravot indes wollten nach Sekandergul reisen, damit Daniel zum rechtmäßigen König von ganz Kafiristan gekrönt werden könne. Denn nichts Geringeres erwarteten sich die beiden von dem Besuch bei der Hohepriesterin von Sekandergul.
    »Hätten die beiden geahnt, was sie auf dem Weg dorthin erwartete, so wären sie wohl Kipling gefolgt.«
    Da sie jedoch ahnungslos waren, trennten sich die Wege der Gefährten, und Carnehan und Dravot vertrauten sich einem einheimischen Führer, genannt Billy Fish, an, der ein Jahr zuvor eine bristische Vermessungsexpedition unter Colonel Robertson in Richtung Sekandergul begleitet hatte. Die Männer waren des Nachts von Träumen übelster Art heimgesucht worden, und dann, in den Weiten des Hochgebirges, war die Expedition angeblich einem großen Rudel äußerst wilder Bestien zum Opfer gefallen, einer Mischung aus Affe und Wolf. Einzig Billy Fish, der gleich zu Beginn des Angriffs das Bewusstsein verloren hatte, war übrig geblieben.
    Die Kafiris, denen er auf dem Rückweg begegnete, hielten sich furchtsam von ihm fern und stammelten nur eines, sobald er ihnen von dem Erlebten zu berichten versuchte.
    »Vetala-pancha-Vinshati.«
    Daniel Dravot und Peachey Carnehan lauschten dieser Geschichte, schrieben die drastische Schilderung der Erlebnisse jedoch dem abergläubischen Gemüt des Führers zu.
    Gemeinsam mit ihm durchquerten sie die Hochebene. Nur langsam rückten sie vor, und bald schon fanden sie einen schmalen Pfad, der sich durch die Felsen schlängelte und im Staub Spuren frischer Fussabdrücke aufwies, die nur entfernt menschlichen Ursprungs zu sein schienen.
    »Dann stießen sie auf den Schrein.«
    In einer schattigen Nische in dem schwarzen Felsgestein am Rand des Pfades befand sich ein Schrein mit einer sechsarmigen Göttin, um deren Hals etwas geschlungen war, das unter einem Gewimmel aus Maden und Fliegen verborgen blieb. Keiner der Wanderer wollte wissen, warum genau es sich dabei handelte, zeugte doch allein der widerwärtige Gestank von verwesendem Fleisch.
    Billy Fish, der ganz bleich geworden war, stammelte erneut jene Worte, die schon seine Erzählung vom tragischen Schicksal der Vermessungsexpedition begleitet hatten: Vetala-pancha-Vinshati.
    Er erwähnte zudem eine Göttin: Kalidurga.
    Und er behauptete, Sekandergul gebe es überhaupt nicht, nur Ghulchissar.
    Jene Stadt, die einmal heilig gewesen und von Alexander gegründet worden war, sei von der dunklen Göttin in Besitz genommen worden.
    Ghule kröchen durch die Gassen, unvorstellbare Wesen.Vinshati.
    Carnehan und Dravot, beide mit der üblichen Arroganz der britischen Eroberer jener unzivilisierten Welt gegenüber ausgestattet, lauschten den Worten des Führers und setzten dann unbeirrt ihren Weg fort.
    Am späten Nachmittag jenes Tages erreichten sie schließlich ein Dorf, die erste Ansiedlung seit ihrem Aufbruch nach Sekandergul. Eine seltsame Stille lag über dem Ort. Keine Menschenseele war zu sehen.
    »Es war Carnehan«, berichtete Eliza mit düster werdender Stimme, »der in eines der Häuser eindrang.« Der mit seinem Stiefel die hölzerne Tür eintrat, sodass sie beinah aus den Angeln gerissen wurde.
    Augenblicklich erklang ein lang gezogenes Geheul, welches zu einem tiefen Knurren wurde, als Carnehan, das Gewehr im Anschlag, den Fuß ins Haus setzte.
    Dravot folgte ihm.
    Rot glühende Augenpaare versteckten sich in der Dunkelheit. Nachdem sich die beiden Eindringlinge an das kümmerliche durch die Tür hereinfallende Licht gewöhnt hatte, erkannten sie mehrere zusammengekauerte Gestalten, die in Fetzen an ihnen herabhängende britische Uniformen trugen. Ihre langen, fettigen Haare klebten ihnen in den Gesichtern, deren Züge zu grausigen Fratzen entstellt waren. Gelbe scharfe Zähne wurden gefletscht, gefolgt von einem tiefen, bösartigen Knurren. Die Kreaturen mussten einst der britischen Vermessungsexpedition unter Colonel Robertson angehört haben.
    »Dravot ging zu einem der Fenster, die allesamt verrammelt waren.«
    Mit einer kräftigen Armbewegung riss er die Läden zur Seite, und grelles Sonnenlicht flutete in den einen Teil des Raumes. Diejenigen Kreaturen, die vom Licht getroffen wurden, schrien vor Schmerz auf und rollten sich in tobsüchtigen Krämpfen am Boden. Ihre schmutzüberzogene Haut wurde in Windeseile von einem stinkenden rötlichen

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