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Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Titel: Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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ernst an. »Es sind die Tiermenschen des Dr. Moreau.«
    »Er versucht Leben zu erschaffen?« Emily beobachtete voller Abscheu die armen Mischwesen, die wenig glücklich wirkend ihrem Tagwerk nachgingen.
    »Mithilfe von Dr. Lazarus, versteht sich.«
    Das war es also, was sie hier taten.
    »Warum tut er das?«, fragte Adam.
    »Er will herausfinden, was es mit unserer Spezies auf sich hat.« Eliza machte eine wegwerfende Handbewegung. »Der Doktor wird das alles erklären.«
    So durchquerten sie das riesige Haus, das wie ein lebendiges Wesen anmutete. Die Wurzeln der Rosenstöcke, die durch Risse im Mauerwerk ins Gebäude gewachsen waren, ragten wie dunkle Schlangen in die Korridore. Grünpflanzen säumten die Gänge. Düstere Kammern öffneten sich zu beiden Seiten der Flure, und jeder einzelne Raum erwies sich als Gefängniszelle. Einige der Türen, das konnte Emily an den schweren Schlössern erkennen, waren verriegelt, doch konnte man durch kleine Gucklöcher Skelette oder wilde Tiermenschen erkennen.
    Es gab Instrumente, seltsam anmutende Maschinen mit Kabeln und Elektroden und Kippschaltern, die bis hinauf in die oberen Stockwerke reichten und die, wenn sie intakt und in Betrieb waren, winzige Funken aufstieben und beißenden Rauch durch die Gänge wehen ließen.
    »Das sind die gleichen Gerätschaften wie jene, die ich in Moorgate Asylum gesehen habe«, bemerkte Emily erstaunt und rief sich ins Gedächtnis, dass es nur selten Zufälle gab.
    »Moorgate und dieser Ort hier sind Bilder auf den beiden Seiten ein und desselben Spiegels.« Das war alles, was Eliza dazu zu sagen hatte.
    Dann, mit einem Mal, spürte Emily die Gegenwart ihrer dunkelhäutigen Freundin. Ganz plötzlich trafen sie die traumfetzenhaften Bilder, und wenngleich sie insgeheim geahnt oder gehofft hatte, Aurora an diesem Ort zu finden, so überraschte es sie dennoch, von den Gefühlen überflutet zu werden.
    »Alles in Ordnung mit dir?«
    Emily schluckte.
    War froh, dass Adam an ihrer Seite war.
    »Es ist Aurora. Sie ist hier.«
    Eliza, die ihre Bemerkung mit einem wissenden Blick kommentierte, führte sie alle in ein karges Zimmer im ersten Stockwerk, an dessen Decke eine lange Neonröhre flackerte und ein Bett mit Metallrahmen in unruhig zuckende Schatten tauchte.
    »Aurora«, flüsterte Emily.
    Das Mädchen, mit dem sie Stunden um Stunden in der Dachkammer des Anwesens in Marylebone verbracht hatte, war an Händen und Füßen gefesselt. Nur ein Nachthemd trug sie, und in ihren Armen steckten Kanülen, die mit merkwürdigen Gerätschaften verbunden waren, die fortwährend eine Flüssigkeit durch die Schläuche pumpten.
    »Es geht ihr gut«, sagte Eliza.
    Emily fand nicht, dass Aurora so aussah, als gehe es ihr gut.
    »Was hast du ihr angetan?«
    »Ich?«
    »Du. Dariusz. Wer auch immer …«
    Eliza schüttelte den Kopf. »Du wirst es verstehen.«
    »Wann?« Emilys Stimme hallte laut von den Wänden wider. »Wenn Dr. Dariusz oder Dr. Moreau oder wie immer er sich nennt endlich mit mir redet?« Sie riss sich von Eliza los und rannte durch den Raum.
    »Emmy, nicht!«, hörte sie Eliza rufen.
    Doch war es zu spät.
    Emily war bereits bei ihrer Freundin und hatte die Verschlüsse der Gummiriemen, die Aurora ans Bett gefesselt hatten, mit einem lauten Geräusch aufschnappen lassen. Retten wollte sie Aurora. Sie fortbringen von diesem verdorbenen Ort.
    Sie misstraute Eliza Holland und allen, die sie mit kunstvoll gesponnen Lügenmärchen bei Laune zu halten versucht hatten.
    Sie musste sich Aurora schnappen und diesen Ort hier verlassen.
    Später würde sie darüber nachdenken können, wie weiter zu verfahren wäre.
    Jetzt sah sie nur Aurora und wollte ihr helfen.
    So krank sah sie aus.
    Bleich.
    Wie tot.
    Dann ging alles so schnell, dass Emily sich später kaum daran erinnern konnte, welches der Ereignisse zuerst eingetreten war.
    Sie hörte Stimmen.
    Ja, Stimmen.
    Ungeordnet.
    Die eine gehörte Eliza, die verwundert einen Namen aussprach: »Wittgenstein?« Lady Mina, die noch immer auf ihrer Schulter saß, fiel zu Boden und fiepte schmerzerfüllt. Und Adam Stewart rief: »Emily!«, als hinge ihr Leben davon ab.
    Das Fauchen jedoch überlagerte alle anderen Stimmen.
    Denn das Fauchen war ganz dicht bei ihr.
    Neben ihr.
    Sie spürte es.
    Auf ihrer Haut.
    An der Hand, die soeben noch die Schnallen an den Gummiriemen gelöst hatte.
    Benommen sah Emily das dunkle Blut, das ihren Handrücken bedeckte, und verstand, dass sie soeben gebissen worden war.
    Sie

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