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Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Titel: Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Insel des Dr. Moreau

    Die Métro war überfüllt wie jeden Tag um diese Uhrzeit. Emily und Adam folgten Eliza Holland durch das Gewühl und zwängten sich in einen Zug hinein, der südwärts in Richtung Seine fuhr. Einige der Fahrgäste warfen Lady Mina, die wie immer auf Emilys Schulter hockte, angewiderte Blicke zu. Das Irrlicht indes befand sich in der Manteltasche des Mädchens und ruhte sich aus.
    Eliza trug Ipy, die Sphinx, deren sie sich angenommen hatte.
    Dr. Lazarus aber, der Meister der Gargylen, war in Montmartre zurückgeblieben, um sich um seine von den Kolibris entseelten Steinwesen zu kümmern.
    »Wie geht es dir?«, fragte Eliza ihre Freundin, aufrichtig besorgt, sobald sie eine Ecke für sich gefunden hatten.
    »Kommt die Frage nicht ein wenig spät?« Emily war wütend und erschöpft. »Meine Güte, es wäre einfach nett, wenn man mich nicht andauernd belügen würde.« Daran schloss sich eine Tirade von Anschuldigungen an, die mit Eliza Hollands Wiedergängernatur begannen und mit den Besuchen in Rotherhithe endeten. »Du hast Madame Snowhitepink gekannt, Eliza, und keinem von uns etwas davon gesagt. Du hast mit Reverend Dombey zusammengearbeitet und den Kindern im Waisenhaus vorgelesen.«
    Nichts davon stritt Eliza ab.
    »Du wirst es verstehen, wenn wir bei Dr. Moreau angekommen sind.«
    »Was werde ich verstehen? Dass du Kontakte zum Grafen von Saint-Germain hast, der ein guter Bekannter Lord Mushrooms gewesen ist? Dass du Dr. Lazarus und al-Vathek kennst? Eliza, ich habe dieses Versteckspiel so satt.«
    Eliza ergriff Emilys Hände und sah ihr tief in die Augen. »Du wirst«, versprach sie ihr, »dies alles verstehen. Glaube mir, Emily, die Dinge haben sich so entwickelt, wie sie sich entwickeln mussten. Nichts davon hätte anders geschehen können.«
    Zu viele Gedanken bestürmten Emily in diesem Moment, als dass sie auch nur einen davon klar zu fassen bekommen hätte. Die Verstrickungen, mit denen sie es hier zu tun hatte, reichten von London bis nach Paris, und dies sogar über die Zeiten hinweg.
    »Ich weiß nicht, ob ich dir noch trauen kann«, sagte Emily.
    Eliza nickte. »Was ich verstehen kann. Trotzdem – du könntest mir berichten, was seit deiner Ankunft in der Cité lumière geschehen ist.«
    Trotzig erwiederte Emily: »Ich dachte, du bist informiert?«
    »Es ist immer gut, die Berichte aus verschiedenen Quellen zu hören.«
    Emily zog ein Gesicht und schwieg.
    Doch dann erzählte sie von dem, was ihr widerfahren war.
    »Wittgenstein und Micklewhite sind also tatsächlich von den Fegefeuern verschlungen worden«, murmelte Eliza nachdenklich. »Nun ja, damit haben wir gerechnet.«
    »Ach?«
    »Pilatus Pickwick ist ein eigensinniger Mensch, Emily, und al-Vathek nicht wohl gesonnen. Ihm unser Anliegen direkt vorzutragen, wäre nicht weise gewesen.« Sie musste lächeln, ganz kurz nur. »Pilatus Pickwick hasst al-Vathek regelrecht, weil er ihn zu dem gemacht hat, was er nun ist.« Es war kein Bedauern in ihren Augen zu erkennen. »Du hast meine Aufzeichnungen gelesen, Emily?«
    »Nicht vollständig.«
    Noch immer trug sie den Rucksack bei sich, der all ihr Hab und Gut enthielt.
    »Was ist mit Aurora Fitzrovia geschehen?«
    »Es geht ihr gut.«
    »Gut?«
    »Den Umständen entsprechend.«
    »Du hast die ganze Zeit über gewusst, was mit ihr geschehen wird?«
    Eliza gab ihr die übliche Antwort: »Du wirst es erfahren, wenn wir die Insel erreicht haben.«
    Doch Emily hatte es satt, sich in Geduld üben zu müssen. Jeder hier schien sie nur zu seinen Zwecken zu benutzen. Die einzigen Menschen, die ihr selbstlos geholfen hatten, waren Adam und Toulouse gewesen. Alle anderen schienen Figuren in einem Spiel zu sein, dessen Regeln sie nicht einmal erahnte.
    »Wer ist Dr. Lazarus?«
    »Das ist eine lange Geschichte.«
    »Die ich hören werde, sobald wir die Insel erreicht haben?«
    »Ja.«
    Emily versuchte sich vom Schaukeln des Zuges beruhigen zu lassen.
    Die Wagen, das fiel ihr erneut auf, waren hier größer als in London. Die Plakate, die an den Wänden klebten, waren in hellen Farben gemalt, und einige von ihnen ließen die Hand von Toulouse erkennen. Trotzdem sehnte sie sich nach London und der Tube, wo sie die Sprache der Menschen verstand und nicht allzeit das Gefühl hatte, allein und verloren zu sein.
    In La Chapelle stiegen sie aus und wanderten durch das Röhrensystem zum Gare du Nord, wo sie dann den Zug hinunter zur Station Châtelet Les Halles bestiegen, dem vorläufigen Ziel der

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