Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith
was vermuten ließ, dass er sich bereits seit längerem für die Schätze des Pharaonenreiches interessierte.
Wie dem auch sein mochte – wir erreichten unser Ziel am Mittag des 12. Dezember anno 1920. Wie vor wenigen Monaten, so war es auch dieses Mal Rais Ahmed Gurgar, der uns in Luxor empfing und mit dem klapprigen Laster zum Castle Carter beförderte. Auf den ersten Blick schien sich kaum etwas verändert zu haben. Howard Carters Haus wirkte noch ebenso einladend inmitten der Dattelpalmen wie damals. Und der Hausherr selbst erwies sich als ebenso erfreut wie mitteilungsfreudig, als er uns sah.
»Wie schön, einige alte Mitarbeiter wiederzusehen«, begrüßte er uns. Dann bemerkte er al-Vathek, und ein Lächeln huschte über das bebrillte Gesicht des Engländers. »Wie ich sehe, haben Sie prominenten Besuch mitgebracht.« Er schritt auf al-Vathek zu und schüttelte ihm nach westlicher Art die Hand. »Es freut mich, Sie endlich persönlich kennen zu lernen, Herr Pharos. Zwar ist es mir vergönnt gewesen, einige Ihrer Artikel zu lesen, doch sah ich Sie bisher nur auf schlechten Fotografien der hiesigen Zeitungen.«
Al-Vathek nickte freundlich. »Sie suchen also nach dem Grab König Tut-ankh-Amens.«
»Sie haben davon gehört?«
Al-Vathek verwies mit einem Kopfnicken auf meinen Bruder und mich.
»Natürlich, natürlich«, murmelte Carter.
»Wir trafen Herrn Pharo in Budapest«, log ich gekonnt.
»Außerdem machen Neuigkeiten in meinem Land noch immer höchst geschwind die Runde«, ergänzte al-Vathek lächelnd.
»Ah, ich bin kein guter Gastgeber«, schalt sich Howard Carter mit einem Mal. »Bitte treten Sie doch ein.« Genau das taten wir, und ein Diener servierte uns Tee und Gebäck und Al-Vathek auf dessen Wunsch Mokka und frische Datteln. Nachdem wir uns niedergelassen hatten, erkundigte sich Carter nach den Ergebnissen der Recherche.
»Es ist komplizierter, als wir anfangs dachten«, bemerkte Tom.
»Das ist es, in der Tat«, kommentierte ich und begann bereits, mir die im Zug gesponnene Lüge ins Gedächtnis zurückzurufen. Doch es war wieder einmal al-Vathek, der mir mit seinen Worten zuvorkam.
»Ich werde, wenn es Ihnen genehm ist«, begann er, an Carter gerichtet, »meine Hilfe anbieten.«
Natürlich war Howard Carter entzückt. »Ein Mann Ihrer Fähigkeiten? Ich nehme dankend an. Ihr Artikel über die Riten des Ptah-Kultes – nun ja, ich bin voll des Lobes. Einfach fantastisch.«
»Die Geschwister Holland trafen mich, wie bereits erwähnt, im Nationalmuseum in Budapest, wo ich seit einigen Wochen die Reisen des Ahmad ibn-Fadlan zu rekonstruieren versuchte«, begann er sein eigenes Lügengespinst vor aller Ohren auszubreiten.
»Und wo wir nach den Schriften Vatheks suchten.«
»Jedoch ohne Erfolg«, gab ich zu bedenken.
Al-Vathek gebot mir mit einem Blick zu schweigen. »Die Recherchen waren, wie Miss Holland bereits andeutete, nicht von Erfolg gekrönt. Doch fand ich einen Hinweis in einem Faksimile der Berichte ibn-Fadlans. Nur Fragmente seiner Darstellungen zwar, aber dennoch von Nutzen.« Kurz dozierte al-Vathek über die Reisen des Gelehrten aus Bagdad. »Sie müssen wissen, dass ibn-Fadlan nach seinen Reisen zu den Völkern des Nordens in seine Heimat zurückkehrte. Eine Gruppe von Nordmännern geleitete ihn und ließ ihn an den Gestaden Israels an Land gehen. Bevor er die Rückreise nach Bagdad antrat, besuchte er die heilige Stadt.«
»Sie glauben«, fuhr Carter ihm aufgeregt ins Wort, »dass sie die Schriften al-Vatheks in Jerusalem finden werden?«
»Ja, das tue ich.«
Worauf wollte er nur hinaus?
»Ich möchte daher schon bald dorthin aufbrechen. Und ich hoffe«, sagte er Tom zugewandt, »dass Sie mich begleiten werden.«
Muss ich noch erwähnen, dass dieser Wunsch meinen Bruder überraschte?
»Miss Holland hingegen wird, wenn es ihr genehm ist, in Karnak verweilen und Ihnen, Mister Carter, zur Hand gehen.« Al-Vathek saß ruhig da, die Hände im Schoß gefaltet. »Eine gute Freundin weilt derzeit in Ägypten, und sie brennt darauf, der jungen Miss Holland zu begegnen.« Er lächelte. »Ich lernte Madame White vor wenigen Jahren in London kennen. Sie ist eine wirklich feine Dame. Und interessiert an allem, was mit Ägypten zu tun hat.«
Nichts davon beantwortete meine Frage. »Warum möchte sie ausgerechnet mich kennen lernen?«
»Sie möchte die Hieroglyphen sehen«, gab al-Vathek zur Antwort. »Die Grabungen weckten ihr Interesse, und ich teilte ihr mit, dass Mister
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