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Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Titel: Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Wort aus der behaarten Nase ziehen zu müssen. Genauso, wie immer behauptet wurde.
    »Und Ihr, junges Ding, seid die Trickster, von der Seth gesprochen hat«, sagte der Alte mit einem Mal, als habe er des Mädchens Missmut erraten. »Das Erbe Manderleys, wie man munkelt.«
    Erstaunt warf Emily mir einen fragenden Blick zu.
    Ich schüttelte den Kopf.
    Sie verstand und schwieg einfach.
    Vorerst wohl die beste Lösung.
    Der Alte fuhr unbeirrt fort: »Amrish Seth und Doktor Grant haben mich aufgesucht. Drei Tage ist das nun her. Die Schreine in den Katakomben nahe der Ziegelei haben sie untersucht.« Er kratzte sich am Bart. »Eine Geschichte habe ich den beiden erzählt. Denn das war alles, was ich für sie tun konnte.«
    »Welche Geschichte?«
    Der Shah-Saz seufzte. »Die Geschichte eines edlen Mannes, der das Unheil in unsere Welt gebracht hat. Es ist eine der vergessenen Geschichten aus dem Mahabharata. Sagt, Alchemist und junge Trickster, habt Ihr jemals vom Kalifen al-Vathek gehört? Von seinem Unglauben und der Strafe des Propheten, die ihn in die dunkle Stadt Ghulchissar geführt hat?«
    Den Namen der Stadt hatten wir bereits vernommen.
    Es war die Stadt, die in Kiplings Geschichte aufgetaucht war.
    »Wir haben nur von der Stadt gehört«, antwortete ich dem alten Philosophen. »Nichts weiter.«
    Und der Shah-Saz sagte: »So lauscht nun meiner Geschichte«, und begann sogleich zu erzählen.
    Sanft vermischte sich die weiche Stimme des Alten mit dem Plätschern des Wassers und füllte die schwülwarme Luft mit der Farbe und dem Glanz jener Zeiten, in denen der ungläubige Kalif düstere Abenteuer zu bestehen hatte.
    »Einst lebte ein mächtiger Kalif mit einem leeren Herzen in einer goldenen Stadt, die Rub al Chali genannt wurde. Reich an Schätzen und Erfahrung war dieser Kalif, und es mangelte ihm an nichts. Teppiche und Silbergefäße und Truhen aus Ebenholz und Elfenbein und Bronze zierten seinen Palast. Al-Vathek war Kriegsherr und Gelehrter zu gleichen Teilen. Der Bezwinger, wie ihn andere Völker nannten, wusste die Zeit nach dem Stand der Sonne zu berechnen, und die Himmelsrichtungen erkannte er allein anhand der glitzernden Sternbilder.«
    Als ein Stammesältester aus einem fernen Land ihm während einer abendlichen Audienz die Geschichte des Propheten Mohammed erzählte, der die sieben Himmel auf dem Rücken von al-Buraq durchschritt, einem Tier mit dem Kopf einer Frau, dem Körper eines Maulesels und dem Schwanz eines Pfauen, um sich schließlich vor Allahs Thron einzufinden, da lachte al-Vathek nur. Denn glaubte man der Legende, so war diese Reise des Propheten im Bruchteil einer einzigen Nacht beendet gewesen.
    »Al-Vatheks Lachen schallte laut durch den Palast. Ja, lustig machte er sich über die Geschichte, die er soeben gehört hatte, und warf dem Mann, der Gast seines Hauses war, als Lohn für sein Lügenmärchen Goldstücke vor die Füße.«
    Da es aber niemandem erlaubt ist, des Propheten Mohammed zu spotten, wurde der Stammesälteste wütend und goss klares Wasser in eine große goldene Schale, murmelte dabei einige unverständliche Worte und reichte das Gefäß dann dem Kalifen.
    Al-Vathek starrte in das Wasser und sah nichts außer dem schimmernden Gold, von dem das Wasser umschlossen war.
    »Dann beugte er sich tiefer über die Schale.«
    Und unscharfe Gestalten erschienen unter dem Wasser. Eine Stadt, ganz winzig nur, doch überdeckte ihre Düsternis schnell den Glanz des Goldes. Eine dunkle Stadt, wie al-Vathek zuvor noch keine erblickt hatte. Eine Festung an den Gestaden einer eisigen See war es, ein kalter Ort mit schwarz getünchten Häusern aus schwerem Stein, über denen tote Palmen mit traurigen Blättern und Türme mit gewundenen Dächern aufragten.
    »Al-Vathek beugte sich noch tiefer über die Schale, bis er mit dem Gesicht die Oberfläche des Wasser berührte.«
    In diesem Augenblick ergriff ihn eine unsichtbare Hand und zog ihn hinab ins Wasser. Getöse drang ihm in die Ohren, und dunkel wurde es rings um ihn herum. Nur langsam, wie im Traum, kämpfte er gegen den mächtigen Sog an, der sich seines Geistes bemächtigt hatte.
    »Er öffnete den Mund und schmeckte Salz auf seiner Zunge.«
    So schnell, wie er gepackt worden war, kam er wieder frei.
    Er durchstieß mit dem Kopf die Wasserfläche und gewann festen Grund unter seinen Füßen. Keuchend rang er nach Luft und rieb sich das Wasser aus den Augen. Bis zur Brust stand al-Vathek in jener eisigen See, die er unter der

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