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Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Titel: Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Botschaftsangehörigen aus Karthum und seiner ägyptischen Dolmetscherin.« So hatte Eliza Holland ihn ihrer jungen Freundin beschrieben. Ihre Worte waren die einer Verliebten gewesen, so überschwänglich und verklärt, dass Emily sich augenblicklich gefragt hatte, ob sie selbst jemals zu solchen Gefühlen fähig sein würde.
    Eliza Holland hatte Alexander Grant geliebt.
    Den hübschen Gelehrten.
    Nicht aber die Kreatur mit dem boshaften Lächeln und den entblößten schmutzigen Zähnen, den Emily in ihrer Toderfahrung erblickt hatte. Der ausgesehen hatte wie die Wesen, die uns in Waterstone Junction angegriffen hatten.
    Ich fragte: »Ihr glaubt, dass die Vinshati die Kinder von Carathis sind?«
    Der Shah-Saz nickte. »Die Überlieferung ist eindeutig.«
    Emilys Blick wanderte zwischen dem Shah-Saz und mir hin und her.
    »Dann sind Carathis und Kalidurga ein und dieselbe Person?«, mischte sie sich schließlich in das Gespräch ein.
    Der Shah-Saz lächelte.
    Gütig.
    »Euer Verstand ist scharf, Manderley-Mädchen.«
    Sofort verbesserte Emily ihn mit einem nicht zu überhörenden genervten Unterton: »Emily Laing!«
    Der alte Mann sah mich an.
    Ich bestätigte die Aussage meiner Schutzbefohlenen, die hinzufügte: »Aus Rotherhithe.«
    Noch immer verleugnete Emily ihre Herkunft.
    Manderley Manor vom Regent’s Park war einmal eines der mächtigen Häuser Londons gewesen. Eng waren die Geschicke der Stadt der Schornsteine mit jenen der Manderleys verbunden gewesen. Aber da hatte es noch ein anderes Adelsgeschlecht gegeben. Mushroom Manor, drüben in Blackheath gelegen. Immer offener waren die Differenzen, welche die Oberhäupter beider Häuser pflegten, zutage getreten. Zu Kampfhandlungen war es sogar gekommen, zu Lynchjustiz und Meuchelmorden, die hinter vorgehaltener Hand als die Whitechapel-Aufstände in die Geschichte eingegangen sind.
    Beider Häuser Blut sollte verbunden werden, um Frieden zu schließen. So hatten es die Ratten geplant gehabt. Die Ratten, die geschickt die Fäden im Hintergrund gezogen hatten.
    Alles wäre so einfach gewesen.
    Doch verliebte sich der Spross der Dynastie vom Regent’s Park in einen mittellosen Künstler. Ihm schenkte Mia Manderley ihr Herz und kurz darauf ein Kind.
    Mit den roten Haaren seines Vaters.
    Emily.
    Bereits wenige Tage nach der Geburt gab man das Mädchen fort, und niemand erfuhr von ihrer Existenz. Die Ehe, welche die Häuser Manderley und Mushroom verbinden sollte, wurde geschlossen.
    Emily Laing aber, das war der Name, den sie sich im Waisenhaus selbst gegeben hatte, inspiriert durch ihren alten einäugigen Stoffbären, »made by D.B. Laing, Singapore«.
    »Emily Laing aus Rotherhithe«, sagte der Shah-Saz mit einem aufrichtigen Lächeln. »Ihr habt es erkannt. Man nannte die Schöne aus Ghulchissar im Zweistromland Carathis. In Indien und den Bergen des Himalaja wird sie noch heute als Schmaschana Kali gefürchtet. Doch was sind schon Namen? Kalidurga. Carathis. Sie ist das Kind, das die Urmutter mit den Dämonen des Roten Meeres zeugte. Sie bringt Verderben. Leid. Tod.«
    »Und Ihr glaubt, dass sie in London ist.« Emily hatte es auf den Punkt gebracht.
    »Die Menschen von Brick Lane Market tun das, was ihre Eltern sie gelehrt haben. Sie glauben, Kalidurga mit Schreinen ehren und mit Opfergaben besänftigen und so das Unheil abwenden zu können.« Die Zuversicht schwand aus seiner Stimme, und die dunklen Augen des Shah-Saz verloren mit einem Mal ihren Glanz. »Carathis«, bestätigte er, »ist nach London gekommen.« Dann, bevor wir ihn verließen, um den Spuren Alexander Grants und Amrish Seths zu folgen, sagte der Shah-Saz noch etwas, das alles andere als beruhigend klang: »Lasst uns hoffen, meine Freunde, dass Ghulchissar ihr nicht folgen wird.«

Kapitel 6
Vinshati

    Hoch oben über London wurde in den Wolkenmassen ein kalter Regen geboren, der sich plätschernd und rauschend auf den schiefen Dächern der krummen Häuser von Whitechapel wiederfand und von dort aus von den Dachrinnen den Weg gewiesen bekam, hinab durch die Dunkelheit der rostigen Abflussrohre, bis sich all die eisigen Bäche aus der Stadt der Schornsteine in den Zisternen der uralten Metropole trafen. Dort unten ließen sie die Pegel der Abwasserkanäle in Sekundenschnelle ansteigen.
    Die Flut.
    So nennen die Tunnelstreicher den Regen.
    Denn das ist es, was aus dem Regen in London hier unten wird.
    Flut.
    Reißende Ströme, die Wege, die vormals noch sicher passierbar gewesen sind, in

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