Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Titel: Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
Waterstone Junctions angegriffen hatten. Eindeutig. Und sie rissen gerade einen Urieliten.
    Emily erkannte die Tätowierungen, die das Gesicht des Engels bedeckten. Das Gesicht, das voller Schmerz war. Voller Furcht.
    Denn der Engel lag im Sterben.
    Geschöpfe seiner Art leben verborgen in ihrem Himmel am Oxford Circus und gehen am Tage nach London hinauf, um in den Straßen zu musizieren oder im Virgin Megastore drüben am Piccadilly zu arbeiten.
    Lange Zeit schon leben die Urieliten mitten in London.
    Sie bringen den Menschen das Licht.
    Sie singen.
    Doch wusste Emily, dass dieser Engel hier nie wieder singen würde.
    Er lag am Boden, und die pelzigen Leiber der Vinshati bedeckten seinen Körper. In den Augen des sterbenden Engels loderten verzweifelt Flammen auf, und viele der in stinkende Lumpen und Hundefelle gekleideten Vinshati brannten lichterloh. Dennoch ließen sie nicht von dem Engel ab. Dem Engel, der selbst im Todeskampf wunderschön anzuschauen war. Dem Engel, dessen verzweifelte Flügelschläge kraftlos wurden. Dem Engel, dem heißes Blut aus unzähligen Wunden floss.
    Überall in der Höhle wurde Emily des Blutes gewahr, der brennenden Pfützen und Flecken, die Boden und Wände und Decke der Höhlenkathedrale bedeckten und die Geschehnisse schaurig illuminierten.
    Die Vinshati tranken von diesem Feuer.
    Emily verstand nicht, wie sie das tun konnten.
    Ihre fratzenhaften Gesichter gingen augenblicklich in Flammen auf, wenn sie es taten. Und doch taten sie es. Voller Gier. Ohne Verstand. Während der Engel noch zappelte und kreischte. Der wunderschöne Engel, dessen Flügel gebrochen waren. Dessen Federn in den lodernden Pfützen schwammen. In dessen einst strahlenden Augen das Feuer schließlich erlosch.
    »Lassen Sie uns von hier verschwinden«, zischte ich.
    Für den Engel kam jede Hilfe zu spät.
    Emily war entsetzlich bleich geworden.
    Ich ergriff ihre Hand und zog sie mit mir fort.
    Hinter uns erscholl ein lautes Heulen.
    »Sie haben uns bemerkt.«
    »Na, toll.«
    Sämtliche Vinshati blickten mit rot glühenden Augen in unsere Richtung.
    Langsam kamen sie näher.
    Lauernd.
    Starke Verbrennungen hatten ihre tierischen Menschenfratzen entstellt, und viele der Kreaturen waren voll Engelsblut, das von ihrer schmutzigen Haut und den verfilzten Haaren auf den Höhlenboden troff, wo es brennende Spuren hinterließ.
    Niemals würden wir diesen Kreaturen entkommen können.
    Es waren ihrer einfach zu viele.
    Nichts als Gier fand sich in den blutunterlaufenen schmalen Augen.
    Emily erkannte in den Lumpen die Reste von Kleidungsstücken, die blitzlichtartige Eindrücke aufkommen ließen von dem Leben, das jene Wesen einmal geführt hatten, bevor sie zu Vinshati geworden waren. Als Geschäftsleute. Kanalarbeiter. Punks.
    Nichts war davon mehr übrig.
    Im Verstand dieser Kreaturen gab es nur einen einzigen Gedanken: die Beute zu reißen.
    »Verdammt«, zischte ich.
    Denn die Beute waren wir.
    Zweifelsohne.
    »Und was jetzt?«, fragte Emily.
    Gute Frage!
    Ich sah mich um.
    Besonders viele Möglichkeiten, dieser Situation zu entrinnen, gab es zugegebenermaßen nicht.
    Eher wenige.
    Vielleicht sogar gar keine.
    Unsicheren Schrittes zogen wir uns in den Tunnel zurück, durch den wir gekommen waren.
    Die Vinshati näherten sich uns weiter. Manche von ihnen brennend. Sie fauchten, und lange Krallen kratzten über den Steinboden.
    »Haben Sie irgendeinen Vorschlag?«, flüsterte Emily.
    »Nein.«
    Hatte ich nicht.
    »Alte Bekannte«, hörten wir mit einem Mal eine Stimme hinter uns.
    »Die Hilfe benötigen«, wurde die erste von einer zweiten Stimme ergänzt.
    Aus dem Dunkel der Tunnelröhre traten zwei Gestalten hervor. Beide trugen die typischen Kutten der Black Friars. Grober brauner Stoff. Über die Köpfe gezogene Kapuzen. Eine dicke Schnur, die das schlichte Gewand zusammenhält. Rosenhölzerne Rosenkränze.
    Die beiden Mönche traten zwischen die Vinshati und uns.
    »Guten Tag«, sagte der eine.
    Auf einer dicken Zigarre kauend, stellte der andere lapidar fest: »Wir sind wieder da.«
    »Waren es eigentlich schon immer.«
    »Obwohl wir in vielen Geschichten leben.«
    »Wie ihr wisst.«
    »Gerade noch im Niemalsland.«
    »Und schon wieder hier.«
    »Müssen wir euch retten.«
    »Erst in Waterstone Junction.«
    »Dann hier.«
    »Wird das nicht langweilig?«
    Einer der beiden gähnte ausgiebig.
    Dann erst stellten sich die beiden vor und zogen die Kapuzen von den Köpfen.
    »Bruder Nubbles«, sagte der eine.
    »Und

Weitere Kostenlose Bücher