Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen
hatten keinen guten Start miteinander, Miss Laing.«
Wenigstens nannte er sie nicht länger Miss Manderley!
»Ich habe einige Jahre in Prag gelebt.«
Emily fragte sich, weshalb er mit einem Mal so redselig war.
Fragte: »Was wird uns dort erwarten?«
Tristan Marlowe trat vor eines der Reliefs, das eine mächtige Tempelanlage zeigte. »Mylady Holland glaubt, dass wir dort den Tempel finden werden.« Seine Stimme wurde leise, fast ehrfurchtsvoll. »Und vielleicht sogar die geheimnisvolle Lade des alten Bundes.«
»Das hat sie erwähnt.« Emily erinnerte sich der Worte, die Eliza an uns alle gerichtet hatte.
»Was wissen Sie über den Tempel und die Lade?«
Emily zuckte die Achseln. »Das, was man so weiß.«
»Nicht viel, also.«
Sie nickte.
»Pandaemonium«, sagte Tristan Marlowe, »besitzt, wie ich herausgefunden habe, eine große Bibliothek.« Die dunklen Augen begannen zu funkeln, und in diesem Moment konnte Emily Laing erahnen, wie Tristan Marlowe als Kind gewesen sein mochte. Wie er vielleicht immer noch war, wenn er sich nicht hinter der eiskalten Maske versteckte. »Es gibt dort Bücher, die sich einst in Alexandria befanden. Werke, so alt, dass man die Ewigkeit in ihnen förmlich riechen kann.« Er hielt inne. »Nun ja, dort habe ich heimlich nachgeforscht.« Er hüstelte. »In den Schriften von Nazca und den Annalen von Kirubu.«
»Nie davon gehört.«
»Das hatte ich bis gestern auch nicht. Aber sie befinden sich in der Bibliothek, und sie erzählen eine Geschichte, die wirklich interessant ist.« Er hatte also die Zeit, die er vor Emily in der Hölle eingetroffen war, genutzt.
Emily wusste nur das, was Eliza uns allen offenbart hatte. Dass Lord Gabriel und die Mala’ak ha-Mawet etwas fürchteten, das eine gefährliche Macht besaß. »Die Bundeslade«, so Eliza Holland, »enthält, glaubt man den Überlieferungen, die Steintafeln mit den Zehn Geboten, die Moses am Berg Sinai vom Träumer höchstpersönlich empfangen haben soll.« Diese Steintafeln, das wusste Emily, waren in einem Schrein verwahrt worden, der eigens zu diesem Zweck gezimmert worden war. Gefertigt aus Akazienholz und überzogen mit reinem Gold, innen wie auch außen. Bewacht von zwei güldenen Cherubim. »Die Lade des alten Bundes beherbergt etwas, das so mächtig ist, dass die Mala’ak ha-Mawet es fürchten, als sei es ihr sicherer Untergang. Etwas, womit wir die Gabrielskrieger besiegen können.« In Prag befände sich jener Schrein, so habe sie Lord Gabriel und die Seinen flüstern hören. In den Hallen eines verloren geglaubten Tempels, den König Salomon vor Jahrhunderten zu Ehren des Träumers errichtet habe und der sich schon lange nicht mehr in seiner Heimatstadt befände.
»Wo«, fragte Tristan Marlowe im Flüsterton, »will Mylady Holland all dies erfahren haben?«
»Sie ist alt«, gab Emily zu bedenken. »Und sie war lange Zeit eine Gefangene der Mala’ak ha-Mawet.«
»Den Tempel, von dem sie sprach, habe ich selbst niemals gesehen«, gab er zu bedenken. »Und ich habe einige Jahre in Prag gelebt. McDiarmid hat mich dort ausgebildet.«
»Sie glauben, dass es keinen Tempel gibt?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich sagte nur, dass ich bisher keinen Tempel gesehen habe.«
»Das heißt?«
Tristan Marlowe trat schnell einen Schritt auf sie zu. »Ich weiß es nicht.« Sein Gesicht kam dem ihren ganz nah. »Aber ich möchte Ihnen etwas zeigen«, flüsterte er geheimnisvoll. Plötzlich ergriff er ihre Hand und zog sie mit sich, und bevor Emily auch nur einen einzigen Einwand erheben konnte, stolperte sie dem jungen Mann hinterher. »Wir sollten in der Bibliothek weitersprechen«, schlug er vor, und sein Händedruck war warm und besorgt. »Wenn Sie die Schriften sehen, dann werden Sie hoffentlich verstehen, weshalb ich mit Ihnen reden wollte, bevor wir aufbrechen.« Er führte sie eine lange, schmale Wendeltreppe hinauf. Draußen pfiffen die Wüstenwinde, die nun Winde aus Schnee und Eis waren, um die Zinnen des Palastes.
Oben angekommen, staunte Emily nicht schlecht.
»Das« verkündete der junge Mann, »ist die Bibliothek von Pandaemonium.«
Der große Raum, in den Tristan Marlowe sie geführt hatte, schien förmlich aus Büchern zu bestehen. Man konnte sie wie Ziegelsteine aus den Wänden herausziehen, und die Lücken, die sich auftaten und durch die man für einen kurzen Moment hinaus in die Höllengefilde zu blicken vermochte, schlossen sich schnell wieder, weil die anderen Bücher, aus denen die Wände
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