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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Wimpernschlags in die Augen, und ganz kurz sah sie sich selbst in den seinen. Sah sich schwimmen in dem hellen Blau, in dem sich die Angst versteckte.
    »Schauen Sie hin, Emily! Nur dieses eine Mal und dann nie wieder.«
    Seine Hände waren kalt.
    Zitterten.
    Sie musste lächeln.
    Dann sah sie das Bild, das er ihr schenkte. Den alten Raritätenladen. Sie erkannte die Regalreihen wieder, und der junge Mann, der sich vor einer der Regalreihen herumdrückte, war auf der Suche nach einem ganz speziellen Buch, das er zu erstehen gedachte. Den Besitzer des Ladens kannte er. Doch an diesem Tag war Edward Dickens nicht im Laden. Und auch nicht Neil Trent, der sonst hier arbeitete. Es war Frühling, und draußen in den Straßen war es schon warm. Das Bild verschwamm, und doch war Emily, als hätte sie beinah etwas greifen können.
    Tristan Marlowe sah aus, als habe er ein Gespenst freigelassen.
    »Was …?«
    Er bedeutete ihr zu schweigen.
    »Als wir die Plejaden in Seven Sisters aufgesucht haben, da mussten wir einen Preis zahlen für die Informationen, die sie uns mit auf den Weg gaben.«
    Emily starrte ihn an.
    Schnee verfing sich in ihrem Haar, das unter der Mütze hervorlugte.
    In seinem auch.
    »Sie sind im Raritätenladen gewesen.«
    Er senkte den Blick. »Ich bin Ihnen dort zum ersten Mal begegnet«, gestand er. »Aber ich kann mich nicht mehr daran erinnern. Das war der Preis, den wir den Plejaden zahlen mussten.« Er wendete sich von ihr ab und ließ ihre Hände schnell los. »Einen wunderbaren Gedanken haben die Plejaden von uns verlangt. Einen Gedanken, den wir niemals wieder denken würden.«
    Emily verstand alles und nichts.
    Sie hatte keine Ahnung, was sie tun sollte.
    Tristan Marlowe. Und jetzt das.
    Sie ging zu ihm hin und umarmte ihn unbeholfen. Er stand nur da, stocksteif, und sah sie an, als habe sie ihn geschlagen. Dann gab sie ihm einen Kuss auf die Wange, flüchtig wie ein Sonnenstrahl, der einem die Nase kitzelt in der Kälte.
    »Einfach so«, sagte sie.
    Löste die Umarmung.
    Stand im Schneetreiben.
    Und Tristan Marlowe schien ganz im Augenblick festgefroren zu sein.
    Er räusperte sich.
    Nahm Haltung an.
    »Wir sollten jetzt gehen.«
    Emily nickte. »Ja, gute Idee.«
    Und ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen, setzte er seinen Weg fort, jetzt allerdings mit schnelleren und größeren Schritten, gerade so, als wolle er Emily Laing entkommen. Und Emily, die doch wusste, wie sehr sie Adam liebte, folgte dem jungen Alchemisten durch die verwinkelten Gassen, zweifelnd und darüber grübelnd, ob sie etwas Falsches getan hatte. Und als sie die Altneusynagoge erreichten, da war ihrer beider Welt, und hatte sie sich auch nicht verändert, dennoch eine andere geworden.

Kapitel 9
Nocnitsa
    Manchmal ist die Welt eine Lügnerin, und die Lügner, die man als solche erkannt zu haben glaubt, erweisen sich am Ende als diejenigen, die der Wahrheit nur ein anderes Gesicht gegeben haben. Nach den Ereignissen, die sich in London und Paris zugetragen hatten, hätte ich niemals damit gerechnet, dem Nocnitsa erneut zu begegnen. Doch gibt es nur selten Zufälle, und die Tatsache, dass Dorian Steerforth mich den Klauen der Bürokratie entrissen hatte, bekräftigte dies nur umso mehr.
    »Prag ist eine gefährliche Stadt geworden«, sagte er und führte mich durch ein Gewirr von Gängen und Kellern fort aus dem Rathaus, in dessen Gewölben die Geheimpolizei ihr Hauptquartier bezogen hatte. Wir verließen den Untergrund in der T´ynská und schlugen den Weg in Richtung Josefstadt ein.
    Dorian Steerforth wirkte älter als damals, als wir ihm in London begegnet waren. Sein Haar war bereits frühzeitig ergraut, und noch immer bevorzugte er die schwarze Lederkluft und die Bikerboots.
    »Sie haben sich nicht verändert, Wittgenstein.«
    »Ach?«
    Ich dachte an die kurze Begegnung in Paris.
    Sprach ihn aber nicht darauf an.
    »Wohin gehen wir?«
    »Zur Altneusynagoge.«
    Das war vorerst alles.
    Den Rest des Weges sprachen wir kaum miteinander. Stattdessen schauten wir uns in den Straßen wachsam um, ob nicht weitere graue Trickster-Männer die Verfolgung aufgenommen hatten.
    Der Lehmgolem, der an der Seite des Nocnitsa den grauen Männern im Rathaus den Garaus gemacht hatte, war in seine Bestandteile zerfallen. Dorian Steerforth hatte ihm einen Zettel aus dem Mund gezogen, und augenblicklich war nicht mehr als ein großer Haufen Lehm zwischen den Schreibtischen von der mächtigen Gestalt übrig geblieben.
    »Weshalb haben Sie

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