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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Steerforth, »werden doch nur benutzt.«
    »Wer ist nun im Besitz des Porträts?«
    »Dr. Dariusz, der vor langer Zeit einmal geschäftlich mit Lord Mushroom zu tun gehabt hatte, entwendete das Bildnis, und nun muss ich tun, was er von mir verlangt. Wenn er das Bildnis zerstört, dann werde ich sterben.«
    Die grundlegenden Wahrheiten, dachte ich, sind immer ganz einfach.
    »Haben Sie vielleicht eine Ahnung«, fragte ich, »was mit Emily Laing und Master Marlowe geschehen ist?«
    »Nein, eigentlich nicht.« Er teilte mir mit, was er wusste. Dass die Leute erzählten, es seien sogar Schüsse gefallen in der Nacht. Dass man drei Polizisten in einer Gasse der Altstadt tot aufgefunden hatte. Dass es aber von den Fremden, nach denen seitdem gefahndet wurde, nicht die geringste Spur gebe. Dass sie untergetaucht sein müssten.
    Die Hoffnung, dachte ich, stirbt meistens zuletzt. Emily und Marlowe waren also in Sicherheit. Ja, anders konnte es nicht sein. Sie waren noch da, in einem Versteck vielleicht. Doch Emily nahm keinen Kontakt zu mir auf, und das war der Punkt, der mir Sorgen bereitete. Sie war eine geschulte Trickster, und es hätte nicht schwierig für sie sein dürfen, mich zu finden. Es sei denn, schoss es mir durch den Kopf, die grauen Trickster-Männer besaßen die Möglichkeit, auch dies zu verhindern.
    Andererseits suchten auch Emily und Marlowe nach dem Aufenthaltsort des Tempels. Was die beiden vielleicht herführen würde. Zur Altneusynagoge. Immerhin kannte Marlowe sich in Prag aus. Inständig hoffte ich, dass der junge Alchemist nicht den gleichen Fehler wie ich selbst begehen würde. Doch dass er diesen Fehler machen würde, war nur allzu wahrscheinlich. Tristan Marlowe war ein Schüler McDiarmids gewesen wie ich selbst, und wenn das Schicksal eine Tragödie war, dann würde auch er den Altstädter Brückenturm aufsuchen, weil er sich von McDiarmid Hilfe erhoffte.
    Ich seufzte.
    Kramte in der Manteltasche nach dem Bilderjaspis, der mich in Momenten wie diesen zu beruhigen vermochte. Die Zeit, das wusste ich, würde schon die Antworten bringen.
    Ich beobachtete Steerforth und fragte mich, inwieweit ich dem Nocnitsa trauen konnte.
    Dann lernte ich Rabbi Schemajah Hillel kennen, und das, was mir an Hoffnung noch geblieben war, wurde vom Winterwind fortgeweht, eisig und wirbelnd hinüber zur Kleinseite, hinter der dunkel und herrisch das Schloss in den Himmel ragte. Jenes Schloss, das ein Himmel war und der Ort, zu dem es am Ende jeden hinzog.
    »Wir sind bald da.« Sixpence ging voran und führte sie schnellen Schrittes durch den Untergrund. Er folgte dem Tunnel der U-Bahn in die Richtung, wo die City liegen musste. An manchen Stellen waren die Bahngleise in der Erde verschwunden und nicht wieder aufgetaucht, anderswo mussten sich Aurora, Neil und Sixpence an liegen gebliebenen Zügen vorbeizwängen.
    »Die alte Kathedrale St. Paul’s wird von den Limbuskindern bewacht«, warnte Sixpence sie. »Es muss dort etwas geben, das wichtig ist für die dunklen Engel, die manchmal herkommen.«
    Es war das erste Mal, dass er die Engel erwähnte.
    »Wie sehen sie aus?«
    »Ich habe bisher nur zweimal einen gesehen. Er kam nach St. Paul’s und erteilte den Limbuskindern Befehle. Jedenfalls sah es so aus. Seine Sprache habe ich nicht verstanden.« Er beschrieb den Engel, und es wunderte Aurora nicht im Geringsten, dass die Beschreibung auf die Mala’ak ha-Mawet zutraf.
    »Hat er sonst noch etwas getan?«
    »Nein. Die Limbuskinder sind geblieben. Der Engel ist verschwunden.«
    Neil sprach aus, was Aurora dachte. »Glaubst du, dass einer von ihnen in der Kathedrale ist?«
    »Na, hoffentlich nicht.«
    »Ihr werdet es herausfinden, wenn ihr dort seid.«
    »Sie können einem ja Mut machen«, grummelte Neil und stapfte weiter durch die Dunkelheit. Kerzen, die jemand zwischen die Gleise gestellt hatte, flackerten unruhig in der warmen Zugluft. »Wer hat die denn aufgestellt?«
    »Das war ich«, antwortete Sixpence.
    Neil nickte nur.
    Stolperte weiter vorwärts.
    Früher hatte er immer gedacht, dass die Hölle ein Moment sein würde, dem man verhaftet war. Ein Augenblick, so schrecklich, dass es einem schier den Atem raubte, auch nur daran denken zu müssen. Zeit seines Lebens war dieser Augenblick der Moment gewesen, in dem er von seines Vaters Tod erfahren hatte. So viel steckte in diesem einen Augenblick. Neils Leidenschaft für die See, für den Geruch des Meeres. Die Angst davor, an einem Ort zu verharren. Wie oft war er

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