Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
und als mir die Augen zufielen, da dachte ich an Rima und all die Jahre, die man uns damals genommen hatte, an den Geruch ihres Haars und ihr Lachen, das die einzige Melodie gewesen war, die ich niemals würde vergessen können. Vertrauen konnte ein Herzschlag sein oder ein Dolchstoß. Die Nacht, die mich umfing, war beides.
    Emily Laing und Tristan Marlowe standen schweigend beieinander in der Altneusynagoge. Der freundliche Rabbi Schemajah Hillel hatte ihnen all das erklärt, was zu erfahren sie hergekommen waren.
    In der Synagoge zu sein tat gut.
    Es fühlte sich an wie Sicherheit. Ein Versteck, ein Unterschlupf.
    Ein Ort, an dem man Luft schnappen und zum ersten Mal seit Stunden wieder frei durchatmen konnte.
    Einzig die Tatsache, dass ein junger Mann mit greisem Haar namens Dorian Steerforth ihnen die Tür geöffnet hatte, wollte Emily noch immer nicht aus dem Kopf gehen. Als er da gestanden hatte, da waren all die Dinge, an die sie nicht mehr hatte denken wollen, wieder da gewesen, als hätten sie sich erst gestern zugetragen.
    Dorian Steerforth hatte ihr seine Geschichte erzählt und dann sein Unbehagen ausgesprochen, ohne sich wirklich zu entschuldigen. Er wirkte verlegen, so ganz anders, als Emily ihn in Erinnerung hatte. Er war immer noch so hübsch wie Jude Law, doch etwas in ihm hatte zu glänzen aufgehört. Wie ein hübsches Glas, das kein Licht mehr reflektierte, so kam er ihr vor.
    Dass sie in diesen Aphroditen, der ein Golem war und doch wieder nicht, einmal verliebt gewesen war, konnte Emily nun gar nicht mehr verstehen. Wer auch immer sie damals gewesen war, sie konnte die Gefühle von einst nicht mehr im Geringsten verstehen. Ja, nicht einmal richtig daran erinnern konnte sie sich. Sie war ein dummes Mädchen gewesen, und jetzt war sie …
    Wer?
    Eine junge Frau?
    Die wusste, was sie tat?
    Sie wagte es nicht einmal, in die Nähe von Tristan Marlowe zu schauen. Seit dem Gespräch in der Gasse, als er ihr die bruchstückhafte Erinnerung zum Geschenk gemacht hatte, war er wieder so unfreundlich und förmlich zu ihr wie eh und je. Er sah sie kaum an, war kurz angebunden, und seine Stimme klang kalt und unnahbar.
    Und Emily hatte sich schon gefragt, warum es ihr nicht früher aufgefallen war, dass er sie …
    Was?
    Dass er sie liebte?
    Blödsinn!
    Dass er sie mochte? In sie verliebt war?
    Sie seufzte.
    Wie eingebildet dies alles doch klang. Sie fühlte sich so unwohl dabei und war froh, dass sie nun endlich in der Synagoge waren. Mit Tristan Marlowe allein zu sein war das Letzte, was sie momentan ertragen konnte. Und ihm ging es doch bestimmt so ähnlich.
    Emily fühlte sich schuldig. Ja, das war es. Sie mochte Tristan Marlowe in manchen Momenten, wie sie ihn in anderen förmlich hasste. Er konnte nett sein und dann wieder so arrogant, dass sie ihn am liebsten geschlagen hätte. Was ging wohl in ihm vor? Er hatte sich ihr anvertraut und …
    Nein, darüber wollte sie einfach nicht nachdenken.
    Wie gern sie doch geschrien hätte.
    Laut.
    Schrill.
    In die Stille der Synagoge hinein.
    Doch am Ende tat sie es dann doch nicht. Es kam einfach kein Schrei aus ihr heraus, so einfach war das.
    Stattdessen musste sie an die Geige denken und an Adam Stewart und daran, dass sie niemals gemeinsam musiziert hatten. Weil sie sich nicht getraut hatte. Dabei war Adam niemals müde geworden, ihr zu versichern, dass sie die Musik im Blut habe. Dass er so gern mit ihr gemeinsam auf der Bühne hätte stehen wollen. Einmal hatte er ihr sogar vorgeschlagen, etwas zu singen. »Herrje, du hast Liliths Lied gesungen, in der Hölle. Was kann danach noch kommen?« Dann hatte Adam gelächelt, wie nur er es konnte, und sie hatte das Lächeln erwidert, und dann hatte Adam sie geküsst, und die bunte Welt war ein Song gewesen, so mitreißend und herzzerreißend, wie es ihn kein zweites Mal geben konnte.
    In ihrer Erinnerung war dieser Song nicht verklungen.
    Er hätte leiser werden sollen, mit der Zeit.
    Doch im Gegenteil.
    Er wurde stattdessen nur lauter.
    Lauter und immer lauter.
    So laut, dass selbst Tristan Marlowe ihn hören konnte. Selbst dann, wenn Emily sich ganz leise verhielt, konnte der junge Alchemist den Song hören. Emily sah es ihm an, dass er ihn hörte. Und sie fühlte sich schuldig, obwohl sie gar nichts getan hatte.
    Sie war einfach nur da. Wie Tristan es auch war.
    Und Adam nicht.
    Am Ende beschloss sie, mit jemandem darüber zu reden, der geeigneter nicht hätte sein können für ein delikates Thema dieser

Weitere Kostenlose Bücher