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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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vorgestellt hatte. Irgendwie hatte sie einen großen, prächtigen Schrein erwartet, überzogen mit dickem Gold und dermaßen ehrfurchtgebietend, dass man augenblicklich davon überzeugt sein würde, dass sich ein mächtiger Zauber darin verbarg.
    Stattdessen stand sie nun vor diesem hölzernen Kasten, den zwar zwei kleine Sphinxe aus Bronze schmückten, der ansonsten aber aussah wie eine Kiste aus Holz, wie sie unauffällig in jedem beliebigen Lagerraum hätte stehen können.
    »Schauen Sie!« Es war Tristan Marlowe, der als Erster den Himmel entdeckte.
    Wir anderen folgten seinen Blicken. Sahen nach oben, wo sich weit über uns eine Decke über den Raum spannte, die ganz und gar aus Glas zu sein schien. Offenbar musste die gläserne Decke der steinerne Boden des riesigen Veitsdoms sein, der sich oben im Schloss den Wolken entgegenstreckte und weithin bis über alle Dächer Prags zu sehen war. In den mächtigen Chor konnten wir hineinsehen, und das, was dort oben in der Nähe des Glockenturms an der Decke hing, waren zweifelsohne Kokons.
    Wie Nachtfalter krochen die Mala’ak ha-Mawet im Dom an der Decke herum.
    »Wir sind mitten im Hornissennest gelandet«, stellte Tristan Marlowe fest.
    »Dem ist nichts hinzuzufügen«, bemerkte ich.
    »Und wie geht es jetzt weiter?«
    Beide starrten wir das Mädchen an.
    »Wir müssen etwas tun.«
    Emily betrachtete die Menora und die Lade.
    »Vielleicht findet sich irgendwo in dieser Halle ein Hinweis darauf, wie die Lade geöffnet werden kann.« Tristan Marlowe, der die ganze Zeit über seinen Gehstock nicht weggelegt hatte, klopfte leise damit gegen die Wände, in der Hoffnung, auf einen geheimen Hohlraum zu stoßen.
    »Warum können uns die Engel nicht sehen?« Emily blickte noch immer nach oben.
    »Fragen Sie nicht mich.«
    Zum ersten Mal sah sie die Mala’ak ha-Mawet und war nicht auf der Flucht vor ihnen.
    Schwarze Gewänder aus Seide trugen sie. Die kriegerischen Tätowierungen, die selbst aus dieser Entfernung wie Glut in der Finsternis brannten, waren ständig in Bewegung. Wenn sie ihre Münder öffneten, dann entblößten sie Zahnreihen voller spitzer Zähne. Die langen Haare waren geflochten und zu vielen Knoten gebunden.
    Emily fragte sich, was wohl passieren würde, wenn uns die Mala’ak ha-Mawet erst bemerkt hätten.
    »Klopf, klopf«, zerriss eine Stimme die Stille.
    Wir drehten uns um.
    Und da stand er.
    Lächelte uns zu.
    Wie ein Raubtier.
    Emily spürte die Kälte, die sie schon immer gespürt hatte, wenn er in ihrer Nähe gewesen war. Noch nie hatte sie sich wohl gefühlt in seiner Gegenwart. Jetzt, da sie ihm seit langem erstmals wieder gegenüberstand, war das Gefühl nicht im Geringsten ein anderes.
    »Wie ich sehe«, sagte er mit einer Stimme, die selbst im Lächeln finster war und Emily einen Schauer über den Rücken jagte, »sind alle dort eingetroffen, wo ich sie erwartet habe.«
    Der alte Mann war nun gar nicht mehr alt.
    Grausam anzuschauen war sein Lächeln.
    »McDiarmid«, fauchte Emily.
    Er sah uns an, wie ein Raubvogel seine Beute betrachtet. »Die Maskerade ist zu Ende. Nennt mich Gabriel.«
    Es war nicht der Mala’ak ha-Mawet, der draußen verbrannt war. Dieser hier besaß andere Tätowierungen. Nie zuvor hatten Aurora und Neil einem Angehörigen der Mala’ak ha-Mawet so nah gegenübergestanden.
    »Ihr seid also wirklich hier, wie Lord Gabriel es prophezeit hat.« Wenn er grinste, dann zeigte er zwei Reihen spitzer Zähne in einem Mund, der so breit war, dass er den Kopf in zwei Hälften zu teilen schien. »Hinabgestiegen in das Reich des Todes.« Er schien belustigt. »Um zu retten, was nicht mehr zu retten ist. Ihr seid Narren.« Schallend lachte er, und in seinen Augen loderte eine Eiseskälte, die tief in einem drinnen etwas erstarren ließ.
    »Was wollt Ihr von uns?« Neil stellte sich schützend vor Aurora.
    Der Mala’ak ha-Mawet funkelte den Jungen an. »Ihr wärt tot, bevor Ihr auch nur verstanden hättet, was ich getan habe. Also spielt nicht den Helden für Euer Weibchen, das ohnehin bald Asche sein wird.«
    Neil schluckte. »Dann sterben wir eben.«
    »Die Hölle«, fauchte der Engel, »ist ein guter Platz zum Sterben.«
    Er trug ein Gewand aus schwarzem Samt. Die grauen Haare waren zu Zöpfen geflochten.
    »Wollt Ihr uns töten oder mit uns reden?«
    Der Mala’ak ha-Mawet lächelte, und es sah aus, als wolle er das Mädchen ins Gesicht beißen. »Ich spiele gern mit der Beute, bevor ich sie erlege.« Langsam sprach er die Worte

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