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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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gleichzeitig, war ihnen das Glück hold, und sie würden den Eingang erreichen, bevor die Taubenwesen es taten. Sie hasteten über den Platz, und schon waren sie auf der Treppe, hechteten die Stufen hinauf und hörten hinter sich das laute Kreischen des Mala’ak ha-Mawet. Der Ruf wurde von den Taubenwesen hoch oben am Himmel beantwortet.
    Gerade wollte Aurora sich umdrehen, um nach dem Engel zu schauen, da hörte sie Neil aufschreien. Eine kleine Traube von vielleicht fünf Tieren prallte gegen den Jungen und warf ihn zu Boden. Mit Händen und Füßen schlug und trat er um sich, riss sich die Krallen aus der Jacke und hieb nach den Köpfen. Er rollte sich auf den Treppenstufen nach unten und spürte, wie zwei der Leiber von ihm erdrückt wurden. Blind bekam er einen Flügel zu packen und schleuderte den Taubenwesenleib von sich fort, so weit es nur ging.
    Aurora war plötzlich neben ihm und zerrte ebenso an den Kreaturen. »Wir müssen in die Kathedrale.«
    Sixpence stand nur da und schaute zu.
    Er war unschlüssig, was zu tun war.
    Ob er überhaupt etwas tun sollte.
    »Helfen Sie uns!«, schrie ihn Aurora an. »Tun Sie irgendwas!«
    Die anderen Taubenwesen kamen näher.
    »Sagt mir meinen Namen, und ich kann euch helfen!«
    »Trau ihm nicht«, keuchte Neil.
    Doch Aurora war verzweifelt.
    Die Taubenwesen hatten sie fast erreicht.
    Was, in aller Welt, könnte ihre Lage noch misslicher machen, als sie es ohnehin schon war? Sollte Sixpence doch seinen Willen bekommen. Wie er so dastand, am Fuße der Treppe, da tat er ihr sogar fast schon Leid.
    Sie sagte: »Paul.«
    Und Sixpence lächelte.
    »Paul!«
    »Na, klasse«, meckerte Neil, trat eines der Taubenwesen gegen den Kopf und richtete sich auf.
    Die Luft war erfüllt von Flügelschlagen.
    Überall waren sie.
    Knurrten.
    Kamen näher.
    Krächzten.
    Witterten die Beute.
    Da begann sich das Lächeln in Sixpences Gesicht zu verändern. Auf einmal strahlte er. Inmitten des Lichts erkannte man den Jungen, der er einst gewesen war, und dort, wo die Lichtstrahlen auf die Taubenwesen trafen, da fielen diese tot vom Himmel. »Lauft, schnell!«, hörten sie die Stimme des Mannes, der wieder ein Junge geworden war und seinen Namen gefunden hatte. »Lauft hinein und tut, weswegen ihr hergekommen seid.« Dann strömte eine Kaskade aus Licht über den falschen St. Paul’s Churchyard. Aurora und Neil schlossen geblendet die Augen. Sie hörten die Schreie des Mala’ak ha-Mawet, die voller Wut und Schmerz waren.
    Aurora spürte eine Hand, die ihren Arm ergriff.
    Die sie hochzog.
    Dann lief sie.
    Stufe um Stufe hinauf.
    »Wir schaffen es!«, rief Neil ihr zu.
    Ihr Blick klärte sich. Sie sah den gewaltigen Innenraum der Kathedrale. Den Eingang mit den paarweise angeordneten Säulen ließen sie schnell hinter sich, und während Neil die Pforten schloss, blieb Aurora keuchend stehen und warf einen Blick durch den Türspalt nach draußen, wo Sixpence verschwunden war und ein Engel lichterloh brennend inmitten verkohlter Taubenwesenleiber kniete.
    Mit einem lauten Geräusch fielen die schweren Türen ins Schloss.
    Neil drehte sich um.
    Schnappte nach Luft.
    Grinste.
    »Wir haben es geschafft.«
    Hauptschiff, Querschiff und Chor bildeten ein lateinisches Kreuz. Mächtige Bögen führten zu dem Raum unter der Hauptkuppel, die mehr als hundert Meter in die Höhe ragte. Allerorts brannten lange Kerzen in der Kathedrale.
    Jemand klatschte in die Hände.
    »Bravo!«
    Ein lautes Echo hallte von den Wänden wider.
    Aurora schrie auf, und Neil war bei ihr, bevor sie die krächzenden Worte vernahmen.
    »Am Ende«, sagte der Mala’ak ha-Mawet, »kommen wir also doch noch zusammen.«

Kapitel 11
Gabriel
    »In den Sefirot-Schriften des Abulafia«, sagte Tristan Marlowe, »gibt es eine alte Geschichte.« Mittlerweile hatten wir steile Treppenstufen erreicht, die endlich wieder nach oben führten. »In der Geschichte unternehmen zwei alte Gaukler eine lange Reise, weil das Königreich von einem bösen Zauber befallen ist. Die einst so mächtige Königin ist in einen tiefen Schlaf gesunken, und niemand weiß ihr zu helfen. Die beiden Gaukler aber begeben sich auf eine beschwerliche Reise und suchen nach einem Berg, auf dem eine Ziege grasen soll, deren Milch jeden Zauber brechen kann. Die Jahre vergehen. In allen Teilen des Reiches suchen sie nach dem Berg, doch ohne Erfolg. Eines Tages aber begegnen sie einer Sphinx, die den Weg, so behauptet sie jedenfalls, kennt. Und die Sphinx erklärt sich, ganz

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