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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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ich dir dafür bin?«
    Emily warf mir einen Blick zu. Das Mädchen kannte mich gut genug, um hinter meiner Beherrschung schreiende Verzweiflung erkennen zu können. Wie ein Vater war McDiarmid lange Zeit für mich gewesen. Und wenngleich ich auch seit unserer Begegnung im Altstädter Brückenturm an seiner Loyalität gezweifelt hatte, so war dies alles hier doch weitaus fundamentaler, als ich es jemals befürchtet hatte.
    »Was ist mit Rima geschehen?«
    »Rima Wittgenstein, deren Namen du dir geborgt hast?«
    »Habt Ihr sie töten lassen?«
    »Nein.« Ich sah seinen Augen an, dass er die Wahrheit sprach. »Du hast sie geliebt, Mortimer, und auch das ist eine Schwäche der Menschen.« Nachdenklich fügte er hinzu: »Aber auch mancher Engel. Lucifers Schwäche war einst, sich in Lilith zu verlieben. Und was hat es ihm gebracht? Er hat alles, woran wir geglaubt hatten, zerstört.« Er wirkte noch immer wütend. Enttäuscht. »Nein, Mortimer, ich habe keine Ahnung, was aus Rima geworden ist. Sie war unwichtig. Ihre Rolle bestand einzig und allein darin, einen jungen Alchemisten in eine Situation zu bringen, an der er verzweifeln sollte.« Er grinste breit, und wieder schnellte die gespaltene Zunge hervor. »Vertrauen, Mortimer, ist eine zarte Pflanze. Sie muss gehegt und gepflegt werden, und es ist meist unabdingbar, sie in der richtigen Umgebung aufwachsen zu lassen.«
    »Ihr habt Rima in diese Lage gebracht.«
    »Ich?«
    Wütend ballte ich die Fäuste.
    »Nein, Mortimer. Du hast sie in diese Lage gebracht. Es war dein Kind, das in ihr zu leben begann.« Mit Unschuldsmiene fügte er hinzu: »Ich habe ihr lediglich die Trickster vorbeigeschickt.« Er wirkte nachdenklich, klang fast schon bedauernd, als er sagte: »Ich hätte euch beide mit nach Prag genommen. Doch dann hast du dich in dieses Mädchen verliebt. Romantik, Mortimer, kann ein schlimmes Gift sein. Rima war dir wichtiger als du dir selbst. Deshalb musste sie verschwinden. Du würdest am Boden zerstört sein, das wusste ich, und in dieser Erde sollte die Pflanze des Vertrauens gedeihen.«
    Lord Brewster beobachtete die Situation mit seinen schwarzen Kulleraugen.
    »Du fragst dich nun, ob du etwas gegen mich auszurichten vermagst.« Er schien Gefallen an dieser Vorstellung zu finden. »Du fragst dich, ob die Lade eine Waffe enthält. Ob du die Stadt der Schornsteine noch retten kannst.« Laut lachte er auf. »Ich habe gesehen, wie brennende Engelsscharen in den Wolken gestorben sind. Ich habe gesehen, wie Zmargad dem Erdboden gleichgemacht wurde. Ich war das Wasser, das jedes Feuer zu bändigen wusste. Nein, Mortimer, keiner von euch wird diesen Ort hier lebendig verlassen.« Er blickte zur Menora, deren dürre Zweige sich hungrig in unsere Richtung zu recken begannen. »London wird leben bis in alle Ewigkeit. Die Stadt der Schornsteine wird immer wieder in Konflikten erblühen, und der Nyx wird leben. Und einen Teil dieses ewigen Lebens wird er uns, seinen Dienern, schenken. Alles wird so bleiben, wie es immer schon war. Das ist der Lauf der Dinge.«
    Tristan Marlowe stand dicht neben Emily, und als ich ihn ansah, da fiel mir zum ersten Mal auf, wie sehr er um meine Schutzbefohlene besorgt war. Man sah es in seinen Augen. Kalt und unnahbar wollte er wirken, doch am Ende würde er sein Leben geben für das Mädchen, das er liebte. Und, das war das Tragische daran, das ihn nicht liebte.
    Die Welt, dachte ich, ist gierig.
    In jeder Hinsicht.
    Und niemand, aber auch niemand, kann irgendetwas dagegen tun.
    Lord Gabriel stand lächelnd vor uns.
    Von hoch oben schwebten zwei mächtige Mala’ak ha-Mawet herab. Ihre kriegerischen Tätowierungen bewegten sich in den grimmigen Gesichtern wie Schlangen.
    »Dies«, sagte Lord Gabriel mit einer Stimme, in der die bleierne Ewigkeit zu eisigen Tränen gefroren war, »ist mein Geschenk an euch.« Er lächelte gönnerhaft. »Ich schenke euch Wissen, das sonst niemand besitzt. Es wird euch begleiten auf eurem letzten Weg.«
    Die Mala’ak ha-Mawet traten auf uns zu.
    »Nun«, sagte Lord Gabriel, der noch immer die Hände gefaltet hielt, »werdet ihr sterben.«
    Und die Schreie, die von den Wänden des Tempels widerhallten, waren das Letzte, was ich hörte, bevor mir das Licht ins Bewusstsein flutete.
    Später würde sich Aurora Fitzrovia nicht mehr daran erinnern können, was genau sie gesehen hatte. An den Innenraum der St.-Paul’s-Kathedrale würde sie sich aber noch genau erinnern. An den großen Altar im Kuppelraum, den es

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