Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen
am Herzen liegt.«
»Denn dann wären Sie motiviert.«
»Das kleine Mädchen zu finden.«
»Und den anderen.«
»Zu übergeben.«
Ich hob die Hand, meldete mich zu Wort. »Was lässt Sie diese gewagten Vermutungen anstellen?«
»Ah, Master Wittgenstein.«
Mr. Fox grinste. »Misstrauisch wie immer.«
»Nun ja, das ist gut so.«
»Denn die Welt.«
»Ist schlecht.«
»Ja, ja.«
»Das ist sie.«
»Wie wir alle wissen.«
Dann wurden die beiden wieder ernst.
»Man munkelt.«
»Dass Mara Manderley in Begleitung einer Rättin.«
»Die Flucht gelungen sei.«
Sie starrten uns an.
Ich fragte nur: »Und?«
Mr. Fox seufzte langgezogen. »Wenn diese Rättin Ihre Halbstiefschwester ist, verehrter Wittgenstein, dann könnte es doch sein, dass Sie das Mädchen finden werden.«
»Und die andere Partei.«
»Die wir.«
»Das möchten wir in aller Deutlichkeit zum Ausdruck bringen.«
»Gar nicht leiden können.«
»Nein, nein.«
»Die andere Partei.«
»Sprich: Lord Gabriel.«
»Wäre gern im Besitz des Kindes.«
Sie falteten beide die Hände.
Sahen ganz nachdenklich aus.
»Aber warum.«
»Fragen wir uns.«
»Will er das Mädchen in seine Gewalt bringen?«
Wieder schüttelten sie die Köpfe.
»Das ist.«
»Das Rätsel.«
»Und deswegen.«
»Will der Lordkanzler von Kensington mit Ihnen reden.«
Endlich schwiegen die beiden.
Und Tristan Marlowe sagte abschließend: »So ist das.«
Emily wusste gar nicht mehr, wie ihr überhaupt geschah. Die Dinge begannen sich zu überstürzen. Sie dachte an die Lektionen, die sie lange Zeit erduldet hatte. All die Lehrstunden und weisen Ratschläge, die ich ihr hatte zuteil werden lassen. All das Wissen, das ihr jetzt doch nicht von Nutzen war, in Augenblicken wie diesen.
Ihr war, als schnüre man ihr die Kehle zu.
Niemals würde sie zur Ruhe kommen. Und das war etwas, das ihr die Luft zum Atmen nahm. Die Aussicht, auf immer dieses Leben führen zu müssen. Hilflos zu sein, ein Spielball der Intrigenspinner dieser Welt.
Sie schaute mich an. »Woran denken Sie?«
»An Wun Su.«
Sie sah mich fragend an.
»Wun Su hat vor langer Zeit schon ein Buch verfasst. Es steht irgendwo in der Bibliothek in Marylebone. Die Kunst des Krieges.«
»Und?«
»Wun Su sagt: Kennst du weder den Feind noch dich selbst, wirst du in jedem Kampf unterliegen. Kennst du dich selbst, aber nicht den Feind, wirst du für jeden Sieg eine Niederlage erleiden. Kennst du jedoch den Feind und auch dich selbst, dann brauchst du den Ausgang von hundert Kämpfen nicht zu fürchten.« Ich blickte in die Runde.
Mr. Fox und Mr. Wolf grinsten nur.
Offenbar waren sie belesen.
Wie auch immer …
»Was will Gabriel?« Das war die Frage, die wir beantworten mussten. »Welches ist seine Motivation?«
»Er will die beiden Häuser gegeneinander ausspielen«, sagte Emily.
»Warum?«
»Um dem Nyx zu Diensten zu sein.«
»Manderley Manor ist aber jetzt führungslos, was das Gleichgewicht der Kräfte empfindlich stört. Denken Sie an den Tartarus von Troja. Andererseits, Miss Laing, gibt es da noch Ihre Schwester.«
»Und mich selbst.«
»Aber dich wollten die Nekir töten.«
Ich stimmte Adam Stewart zu. »Wenn ihnen das gelungen wäre, dann gäbe es nur noch einen einzigen Spross der Manderley-Familie.«
»Mara!«
»Sie sagen es.«
»Und?«
»Mara konnte fliehen. Und Gabriel will Mara noch immer in seine Gewalt bringen. Das legt die Vermutung nahe, dass man während des Angriffs auf Manderley Manor auch Mara hatte entführen wollen.«
»Wenn die Nebel das Anwesen angegriffen haben«, gab Tristan Marlowe zu bedenken, »dann geschah dies auf den Befehl Lord Mushrooms hin. Es ist also Lord Mushroom, der Mara in seine Gewalt bringen will. Doch wozu?«
»Sie ist die einzige Erbin von Manderley Manor.«
Die Gedanken traten auf der Stelle.
Bewegten sich im Kreis.
Ich stellte die Frage erneut, betonte jedes Wort: »Was – will – Gabriel?«
Tristan Marlowe sagte: »Er will Macht. Und er will leben.«
»Und um zu leben, muss er dem Nyx zu Diensten sein.«
»Der Nyx aber ernährt sich von all den negativen Gefühlen, die in London geboren werden.«
»Also heizt Gabriel die Stimmung in der Stadt an. Immer und immer und immer wieder.«
»So«, bemerkte ich, »könnte man es auch ausdrücken, Master Stewart.«
»Und er tut dies, indem er die Aggressionen zwischen den großen Häusern schürt.«
»Genau.«
»Warum aber lässt er auf einmal zu, dass Mylady Manderley getötet wird? Jahrelang hat
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