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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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der Sekretär, die an der Wand unter dem Bullauge standen, waren jedoch ebenso schief, sodass sich das Mädchen zu fragen begann, wie man dort schreiben oder musizieren konnte.
    »Und nun sucht Ihr jemanden, dem das Gesicht des Botenjungen bekannt vorkommt.« Es war eine Feststellung. »Weil Ihr den Schuldigen zu finden gedenkt.«
    »Ihr habt es erfasst.«
    »Gerechtigkeit ist ein Gericht, das manchmal lange kochen muss.«
    »Die Black Friars leiten die Ermittlungen.«
    Die kleinen Äuglein wurden neugierig. »Ah, Ihr seid also auf eigene Faust hergekommen.«
    »Ja.«
    Master Keith betrachtete die Rättin, die immer noch auf meiner Schulter saß.
    »Frisst sie Käse?« Er grinste breit.
    Lady Mina piepste: Ich bin keine Maus.
    »Ich nehme an, das war ein Ja.«
    Er ging festen Schrittes in die Kombüse, die gleich nebenan war, rumorte lautstark in den Schränken herum und kehrte mit einem dicken Stück Cheddar zurück.
    »Hier, kleine Lady, lasst es Euch schmecken.«
    Er ist höflich, sagte Mina, auch wenn er sich alle Mühe gibt, unfreundlich zu wirken.
    Master Keith wusste natürlich Bescheid über Ratten. Darüber, dass sie seit einigen Jahren eine geächtete Kaste waren in der uralten Metropole. In zu viele dunkle Geschäfte waren manche der Nager verwickelt gewesen, als dass ihnen die Menschen noch mit Vertrauen begegnet wären, so wie früher einmal.
    Lady Mina kletterte auf den Tisch und nagte an dem Cheddar.
    »Ich kenne die meisten der Botenjungen, die im Portobello arbeiten. Es sind immer die gleichen Gesichter, die einem über den Weg laufen.«
    Ich legte die schwarzweiße Photographie auf den Tisch.
    Master Keith betrachtete sie nur kurz. »Ein netter Bursche. Jumping Jack, so haben die anderen ihn genannt.« Er nickte. »Ja, das ist er.« Der Gedanke, dass der Junge ein Opfer des seltsamen Nebels geworden war, betrübte den alten Mann. »Unruhiges Kerlchen, ist immer gesprungen und gerannt und war flink wie ein Windhund. Ein guter Bote, da bin ich mir sicher.«
    »Wir müssen wissen, wer ihn angeheuert hat.«
    »Botenjungen erledigen viele Aufträge.«
    »Kann uns jemand weiterhelfen?«
    Master Keith kratzte sich am Kopf. Lächelte verschmitzt. »Hm, klar, unser Napoleon, den solltet Ihr fragen.«
    Emily wirkte skeptisch.
    »Napoleon?«
    »Der Bürgermeister«, stellte ich klar.
    Master Keith aber schüttelte den Kopf. »Der ehemalige Bürgermeister von Notting Hill. Wird von manchen nur Napoleon genannt. Nun ratet mal, warum?! Heute jedenfalls betreibt Adam Wayne eine Auftragsvermittlung drüben im alten Leuchtturm. Wenn jemand nach einem Botenjungen aus Notting Hill sucht, dann muss er dort den Auftrag anmelden, und Wayne bestimmt den Jungen, der den Auftrag auszuführen hat.«
    »Er koordiniert also die Aufträge und schlägt bessere Konditionen für die Boten heraus.«
    »Und sackt saftige Provisionen ein.«
    »Wofür er schon als Bürgermeister ein Talent gehabt hat.«
    Master Keith lachte schallend. »Ihr seid wahrlich ein Schüler McDiarmids.«
    Ich zuckte die Achseln.
    »Ja, Master Wayne hat schon während seiner Amtszeit dafür Sorge getragen, dass nur registrierte Botenjungen ihrer Arbeit in dieser Gegend nachgehen dürfen. Der Lordkanzler von Kensington hat ihn in diesem Anliegen unterstützt, und als Wayne vor einigen Jahren das Bürgermeisteramt niedergelegt hat, da ist er, welch eine Überraschung, in die Vermittlungsbranche eingestiegen.«
    Geschickt eingefädelt, piepste Lady Mina, die mit gespitzten Ohren der Konversation lauschte.
    »Und wir finden Adam Wayne im alten Leuchtturm?«
    »Ja. Sagt, dass ich Euch geschickt habe. Fragt einfach nach Jumping Jack, und er wird Euch sicherlich weiterhelfen können.«
    Wir wechselten noch einige höfliche Worte und verließen kurz darauf das alte Schiff.
    »Die Zeit drängt«, sagte ich.
    »Die Zeit«, entgegnete Master Keith, »ist das Feuer, in dem wir verbrennen.«
    Er lächelte zum Abschied.
    Und schon waren wir wieder im Getümmel des Hafenviertels von Notting Hill.
    Lady Mina, die nach Cheddar roch, war wieder auf meine Schulter gekrabbelt und beobachtete in der Ratten Art die anderen Menschen an diesem so lebhaften Ort.
    Pralle Körbe voller Fische und Krabben säumten das Ufer, und schreiende Händler machten sich einen Sport daraus, einander zu unterbieten, die Zuhörer mit Rabatten zu verwirren und dabei fortwährend Fischleiber durch die Luft zu wirbeln. Es gab verlotterte Stände mit Madonnenfiguren, denen Stigmata in den ausgebreiteten

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