Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
wieder einmal an Adam Stewart denken.
    »Kommen Sie!«
    Ich zog sie durch das Gewirr von Leibern in bunter Kleidung.
    Hin und wieder wurde Lady Mina mit bösen Blicken bedacht, weil die Menschen noch immer den Ratten misstrauen. Da aber offensichtlich war, dass die Rättin mein Vertrauen genoss und zudem unter meinem Schutz stand, blieben weitere Handlungen aus, die meine Stiefschwester sonst mit Sicherheit zu fürchten gehabt hätte.
    »Da!«
    Emily hatte so etwas noch nie zuvor gesehen.
    Es war ein Schiff, ein alter Segler, der auf dem Trockenen stand. Ein Teil des Schiffes steckte mitten in dem Felsen fest, aus dem das Wasser die Grotte geschält hatte.
    »Vor Jahren ist ein Teil der Grotte eingestürzt, weil man weiter oben einen neuen Tunnel für die Central Line gebohrt hat.« Die Massen aus Felsgestein und Geröll hatten das Schiff zur Hälfte unter sich begraben. »Manchmal«, sagte ich, »passiert so etwas hier unten.« Der Mast schaute wie ein etwas zersplitterter und krumm ausgestreckter Zeigefinger aus. Zerfetztes Segeltuch, auf das jemand bunte Formen gesprüht hatte, baumelte daran herab und tat Kunde von den Heldentaten, die das Schiff einst vollbracht hatte. Eine Galionsfigur mit halbem Gesicht lugte aus dem Gestein hervor, und der Name des Schiffes war noch immer gut lesbar.
    The Flying Inn.
    In den Rumpf, der mit alten, nahezu versteinerten Muscheln und dunklen getrockneten Streifen Seetang überzogen war, hatte jemand eine Tür eingelassen, die schief und schräg war wie überhaupt das ganze Schiff.
    Nur zwei Initialen waren in die Tür geschnitzt.
    »G.K.«
    »Da sind wir.«
    Fest schlug ich mit der Faust gegen die Tür.
    »Er ist schwerhörig«, erklärte ich Emily.
    Pochte erneut gegen die Tür.
    Bis eine laute Stimme von drinnen polterte: »Wer, zur Hölle, hat es so eilig?«
    »Mortimer Wittgenstein«, rief ich.
    Die Tür wurde mit einem Ruck aufgerissen, und ein alter Mann mit Brille und wogendem Backenbart herrschte uns an: »Na, so was aber auch. Ihr seid lange nicht mehr hier gewesen, Wittgenstein.« Er warf einen Blick auf Emily. »Ist dies Euer Mündel?«
    Erstaunt sah Emily mich an.
    Und bevor ich etwas erwidern konnte, gab sie die Antwort: »Ja, könnte man so sagen.« Sie reichte ihm die Hand. »Emily Laing.«
    »Nicht Manderley?«
    Sie betonte: »Laing!«
    »Oh, ein großes Fettnäpfchen«, kam es prompt zurück, begleitet von einem herzlichen Lächeln, dem man gar nicht mehr böse sein konnte.
    »Das passiert mir andauernd«, hörte ich Emily sagen.
    »Wie ich sehen muss, seid Ihr noch immer ein Rattenfreund, Wittgenstein.«
    »Lady Mina ist meine Stiefschwester.«
    Er sah sich die Rättin genau an. »Sie hat die Augen ihrer Mutter.« Er musste laut lachen. »Es geht doch nichts über die Familie, was?« Damit trat er einen Schritt zur Seite und bat uns einzutreten. »Aber ich habe ganz vergessen, mich dem Kind vorzustellen.« Er verneigte sich kurz. »G.K., so nennen mich die Leutchen hier im Portobello. Graham Keith. Offiziell aber Master Keith.«
    »Ihr seid Alchemist?«
    Er lachte so schallend, dass sich die dicken Balken des Schiffes zu biegen schienen. »Haha, nein, nein, mein Kindchen. Ich bin schreibender Chronist. Seit einigen Jahren schon. Ich schreibe auf, was hier unten so alles passiert. Hier und woanders.«
    »Außerdem hat Master Keith einige vortreffliche Geschichten verfasst.«
    Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Seid Ihr hergekommen, um Euch beliebt zu machen, oder gibt es ernsthaftere Gründe für Euer Erscheinen?«
    Ich schloss die Tür hinter mir.
    »Ernsthaftere Gründe«, sagte ich nur.
    Und während er uns in die Kajüte, die ein mit Möbeln und dicken Teppichen voll gestopftes Wohnzimmer war, führte, berichtete ich ihm von Kew Gardens Hall und dem Botenjungen.
    »Es tut mir so Leid für dich, Kindchen.« Er fasste Emily an beiden Schultern und sah sie ernst an. »Manchmal sind die Zeiten, in denen wir leben, voller böser Drachen. Aber wir dürfen niemals vergessen, dass man Drachen auch besiegen kann.«
    Emily hätte gern etwas Geistreiches erwidert, schwieg aber nur und spürte, wie sich ihr die Kehle zuschnürte.
    Alle Räume waren schief in Vollendung, was an der Seitenlage des Schiffes lag, und die Tatsache, dass man sich andauernd irgendwo festhalten musste, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, irritierte Emily. Tische und Stühle waren mit Holzstücken unterlegt, sodass man auf ihnen sitzen konnte, ohne herunterzurutschen. Das Cembalo und

Weitere Kostenlose Bücher