Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
Plastikhänden leuchteten, und Bretterbuden, die feinste Leckerein anboten.
    »Es gibt nichts«, sagte ich Emily, »was es in Portobello Market nicht gibt.«
    »Das sehe ich.«
    Wir schlängelten uns durch das Gewühl, und mit einem Mal blieb Emily wie angewurzelt vor einem Stand stehen, der allerlei Krimskrams darbot. Ihre Hände zitterten, als sie die Skulptur berührte, die etwas in ihr zum Klingen brachte, das man bestenfalls als trauriges Lied hätte bezeichnen können.
    »Miss Laing?«
    »Es gibt keine Zufälle«, murmelte sie.
    Der Händler schaltete sich augenblicklich ein. »Eine gute Wahl, junge Lady. Die zwei Schwestern von Notting Hill. Ja, so heißen die beiden. Arme Mädchen, die ihrem Vater das Essen zur Arbeit bringen.«
    Mit einer Handbewegung gebot ich dem Händler zu schweigen.
    Trat neben Emily.
    Die jene Skulptur in den Händen hielt.
    Zwei Mädchen, kunstvoll aus dunklem Holz geschnitzt, die eine viel älter als die andere. Beide trugen sie Kopftücher und sahen traurig aus. In ihren Händen hielten sie kleine Behälter, wie man sie früher zum Transport von Suppe verwendet hatte.
    »Sie denken an Mara«, sagte ich.
    Emily starrte nur die Figuren an.
    Sie dachte an den Schnee und die Glaskugel und die Welt, die sich darinnen befunden hatte und es nun nicht mehr tat. Sie dachte an Adam Stewart und all die Dinge, die nicht mehr da waren.
    »Das Leben ist ungerecht«, sagte sie schließlich und stellte die Skulptur zurück auf den Tisch.
    »Ich weiß.«
    Emily, in deren einem Auge eine Träne glitzerte, fragte ganz leise: »Ist man erwachsen, wenn man das verstanden hat?« Ihre Finger glitten versonnen über das Holz. »Oder kommt noch mehr?«
    »Fragen Sie lieber nicht«, war alles, was ich ihr antworten konnte.
    »Wittgenstein?«
    »Ja?«
    »Erzählen Sie es mir irgendwann?«
    »Was meinen Sie?«
    »Sie wissen genau, was ich meine.«
    Natürlich wusste ich, was sie meinte.
    Sagte: »Versprochen.«
    Und damit war die Sache fürs Erste erledigt.
    »Konzentrieren wir uns auf das, weswegen wir hier sind.«
    Dagegen hatte Emily nichts einzuwenden, und so setzten wir unseren Weg fort, bis wir den Leuchtturm erreichten.
    »Dort«, stellte ich fest, »wohnt also der einstige Napoleon von Notting Hill.«
    Der römische Leuchtturm von St. John’s Vicarage war schon vor langer Zeit in die uralte Metropole gesunken, und nun stand er wie ein Relikt aus alter Zeit im Hafen von Notting Hill.
    Und Adam Wayne, der einen bunten Gehrock und einen ebensolchen aus Flicken zusammengenähten zerbeulten Zylinder trug, brachte endlich Klarheit in die Angelegenheiten, die den Jungen Jumping Jack nach Kew Gardens Hall und später dann nach Moorgate geführt hatten.
    Er empfing uns in seinem Kontor, das tief im dicken Bauch des Leuchtturms lag. Akten stapelten sich all die Stockwerke hinauf, und Wayne saß vor einem schwarzen Laptop, dessen Bildschirm grünlich flimmerte.
    Er begrüßte uns freundlich, bot uns Tee an und öffnete sofort die betreffenden Dateien. Wie immer, wenn sie hier unten Technologie antraf, die sie in der uralten Metropole nicht erwartete, fragte sich Emily verwundert, ob sie nicht doch in einem höchst seltsamen Traum gefangen war. »Ah, hier ist es.« Er nannte das Datum. »Eiliger Botengang nach Moorgate. Eindeutig ein Auftraggeber aus Blackheath.«
    »Mushroom Manor«, flüsterte Emily, und es klang, als seien die schlimmsten Befürchtungen nun endlich wahr geworden.
    Wayne warf einen erneuten Blick in die Datei. »Mister Holcroft«, las er vor, »das ist der Name, mit dem der Kaufmann unterschrieben hat. Er hat das Siegel derer von Mushroom vorgezeigt und die Rechnung im Namen Mushroom Manors beglichen.« Er drehte den Bildschirm um, sodass wir einen Blick darauf werfen konnten. »Sehen Sie!« Er markierte den betreffenden Eintrag. »Transport von Substanzen für medizinische Zwecke. Bestimmungsort: Moorgate Asylum.« Ich sah mir das Datum an. Alles passte. »Vor drei Tagen ist der Botenjunge angeheuert worden.«
    »Jetzt«, sagte Emily, »haben wir Klarheit.«
    Trotzdem!
    Nachdenklich betrachtete ich den flimmernden Bildschirm. »Sie haben den Eintrag persönlich vorgenommen?«
    Adam Wayne überlegte nicht lange. »Ich kann mich sogar noch genau daran erinnern.«
    »Und Sie sind absolut sicher, dass dieser Mister Holcroft ein Angehöriger Mushroom Manors war?«
    »Zweifel ausgeschlossen.« Adam Wayne beobachtete meine Reaktion, und es war nicht schwer, seine Gedanken zu erraten. Als der

Weitere Kostenlose Bücher