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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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für einen Moment sah es aus, als würde der Bibliothekar zu Papier werden. Irgendwie zweidimensional sah er mit einem Mal aus, und dann war er zu einem Bildmotiv auf dem Plakat geworden. Er stand jetzt inmitten der Sirtaki tanzenden Frauen, sah Aurora mit Papieraugen an und zeigte ein Papierlächeln in einer Papierwelt, die ein Papiergriechenland darstellen sollte.
    »Nun denn«, murmelte Aurora ein wenig unsicher und fragte sich insgeheim, wie es sich anfühlen mochte, zu Papier zu werden. Auch sie verbeugte sich, und wie bei Marlowe, so trat auch nun eine der Frauen vor und ergriff Auroras Hand, die faltig wie altes Papier wurde.
    Es war, als würde die Welt hauchdünn.
    »Da sind wir«, hörte Aurora eine Stimme neben sich sagen.
    Das Mädchen stand auf einer Wiese vor dem schneebedeckten Berg.
    »Der Olymp«, erklärte Tristan ihr.
    »Ist dies der Ort, an dem die sieben Schwestern leben?«
    »Wären wir sonst hier?«
    Die Sirtakitänzerinnen tanzten aber keinen Sirtaki, sondern waren wieder zu dem geworden, was sie immer nur gewesen waren. Standbilder aus Papier, scherenschnittartig wie die leichten Mädchen eines billigen Kalenders in einer Werkstatt in Piräus. In der Ferne sah sie dafür eine kleine Hütte, die zwar aussah wie die wenig kunstvolle Kulisse eines antik angehauchten B-Movies, aber realer und dreidimensionaler wurde, je näher man ihr kam.
    »The Pleiades’ Place.«
    Der Schriftzug über dem Eingang funkelte und blinkte kitschig bunt wie eine Leuchtreklame am Piccadilly Circus.
    »Die sieben Schwestern«, flüsterte Aurora, »haben einen seltsamen Geschmack.«
    »Frauen«, murmelte Tristan Marlowe.
    Und fing einen bösen Blick seiner Begleiterin ein.
    »Verzeihung.«
    Aurora bezweifelte, dass er es ernst meinte.
    »Schon gut«, sagte sie trotzdem.
    Vor der Tür des »The Pleiades’ Place« hielten beide kurz inne.
    Die Wände der Hütte bestanden aus weißen, grob behauenen Steinen, die übereinander gestapelt waren.
    »Was ist das für ein seltsamer Ort?«
    »Hier«, flüsterte Tristan Marlowe, »befindet sich das Orakel.«
    Er klopfte höflich an.
    Öffnete die Tür.
    Und zögerlich traten Mädchen und Bibliothekar ein.
    Der Raum, den sie betraten, war weitaus größer, als es von draußen den Anschein gehabt hätte. Dimensionen, dachte Aurora, schienen hier nur von geringer Bedeutung zu sein. Stühle und Tische, gezimmert aus dicken, krummen Ästen, bildeten die einzige Einrichtung. Es roch verlockend nach Oliven und kräuterbestreutem Weißbrot, nach lodernder Holzkohle und Fisch. Einige Ziegen streunten meckernd durch den Raum, fraßen frisches Stroh, das in hölzernen Eimern steckte.
    »Gäste«, rief eine Frau, die den Sonnenschein im Gesicht zu tragen schien. Es war in keiner Weise zu erkennen, wie alt sie sein mochte. »Asterope«, stellte sie sich vor und rief ihre Schwestern hinein.
    Wieselflink füllte sich der Raum mit sechs weiteren Frauen, die neugierig die Ankömmlinge betrachteten.
    »Schon lange hat niemand mehr das Restaurant betreten.«
    »Weil die meisten sich vor uns fürchten.«
    »Dumme Menschen.«
    Sie lachten allesamt.
    Und stellten sich dann vor.
    »Alcyone.«
    »Kelanio.«
    »Elektra.«
    »Maia.«
    »Merope.«
    »Taygete.«
    »Wir sind die sieben Schwestern«, sagte Asterope, »und normalerweise kommen die Menschen nur dann zu uns, wenn sie das Orakel befragen wollen. Nun sprecht! Wünscht Ihr Wissen oder eine Mahlzeit?«
    »Beides«, bekannte Tristan Marlowe und stellte sich und seine Begleiterin vor.
    »Dann sollt Ihr auch beides bekommen«, sagte Maia, die eine Nymphe war.
    Die hübsche Taygete mit dem langen Hals schnippte mit den Fingern und hielt augenblicklich eine Speisekarte in der Hand. »Wenn ich eine Empfehlung aussprechen darf«, sagte sie und deutete auf die erste Seite der Tagesgerichte, »das Souvlaki aus Garnelen, Dorsch und Lachs ist hervorragend.«
    »Eine Spezialität des Hauses.« Merope wies auf ihre Schwester, die wie flüssiges Licht aussah. »Von unserer Elektra persönlich zubereitet mit Fischen, die vor wenigen Augenblicken noch in den Tiefen der Ägäis gelebt haben.«
    Elektra lächelte. »Ihr seht also, es ist alles frisch.«
    »Wir danken Euch«, entgegnete Tristan Marlowe höflich.
    Aurora schloss sich an.
    »Nehmt Platz.«
    Sie taten, wie ihnen geheißen wurde.
    Im gleichen Augenblick standen zwei gefüllte Teller auf dem Tisch vor ihnen.
    Die sieben Schwestern, die manchmal Tauben und manchmal ein Sternbild waren, gruppierten sich um

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