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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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um.
    In einem nahezu dunklen Raum befanden wir uns. Rinnsale brackigen Wassers liefen an den Wänden entlang und sammelten sich auf dem Steinboden zu stinkenden Pfützen. Eine unruhig flackernde und äußerst schwache Neonröhre spendete karges Licht.
    »Fragen Sie nicht mich.« Ein Hustenanfall ließ mich nach Luft schnappen.
    »Geht es Ihnen gut?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Die Erkältung wird hier unten kaum besser.«
    »Wie lange sind wir schon hier?«
    »Ich bin seit etwa einer Stunde wach.« Zeit war hier unten etwas, das man nicht greifen konnte.
    Emily stand auf.
    Streckte die Glieder.
    »Wo ist Lady Mina?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Vielleicht haben die Nebel ihr nichts angetan, weil sie eine Rättin ist.«
    »Ja, das ist auch meine Hoffnung.«
    Sie betrachtete das flackernde Licht.
    »Wo sind wir?«
    »Ich habe nicht die geringste Ahnung.«
    »Auch keine Vermutung?«
    Dieses Kind!
    »Doch, die habe ich.«
    »Und?«
    »Die Abtei der Black Friars befindet sich, so sagt man, zwischen dem Bahnhof gleichen Namens und der City Thameslink.«
    »Sagt man.«
    Ich nickte. »Nur wenige Menschen sind je dort unten gewesen.«
    »Sie machen einem Mut.« Emily ging zur Wand und betrachtete die Zeichen, die dort eingeritzt waren. Jahreszahlen und Namen, gekritzelt von zittrigen Händen, denen Kälte und Furcht die Kraft geraubt hatten. »Sie glauben also, dass wir uns in einem Verlies der Black Friars befinden?«
    »Es sieht nicht sehr einladend aus, wie ich finde. Kerker wäre also eine Bezeichnung, mit der ich mich anfreunden könnte.«
    »War denn niemand hier, als Sie erwacht sind?«
    »Nein.«
    Emily versuchte sich zu konzentrieren.
    »Das führt zu nichts.«
    Sie öffnete die Augen.
    »Was meinen Sie?«
    »Ihre Trickster-Eigenschaft. Sie wird hier unten nicht funktionieren.« Als sie mich verwundert ansah, fügte ich hinzu: »Ich habe es versucht.« Ich deutete hinüber zur Tür. »Sehen Sie das rostige Schloss? Hat es mich etwa jemals Mühe gekostet, so ein altes Ding zu öffnen?«
    Emily, die meine Fähigkeiten kannte, schüttelte den Kopf.
    »Ich habe es versucht, seitdem ich wieder bei Bewusstsein bin.«
    Emily ging zur Tür und berührte das Schloss, als könne dies etwas bewirken.
    »Sie meinen …«
    »Etwas hier unten hindert uns daran, unsere angeborenen Talente zu entfalten.« Abwehrend hob ich die Hand. »Und bevor Sie mich fragen, ob ich diesbezüglich eine Vermutung habe … ich muss Sie leider enttäuschen.«
    Emily stand da und starrte die Tür an.
    Aus dickem Holz bestand sie.
    Material, das einst lebendig gewesen war.
    Das Menschen berührt hatten.
    Emily legte die Hand flach auf die Tür.
    Nichts.
    »Ich habe es Ihnen gesagt.«
    »Und trotzdem ist es kein Fehler, es zu versuchen.«
    Emily rief sich das Gespräch in Manderley Manor ins Gedächtnis zurück. Was ging hier nur vor? Welche Rolle spielten die Black Friars bei alledem, und warum gab sich dieser mysteriöse Mr. Holcroft als ein Mitglied des Ordens aus, wenn er keines war?
    Ihre Gedanken sprangen zu Mara, die sich jetzt Myriel nannte, und dem, was aus dem kleinen Mädchen geworden war. Was mochte die alte Frau ihr gesagt haben, dass sie auf einmal so ablehnend ihrer älteren Schwester gegenüber geworden war? Mit welchen Lügengespinsten mochte sie des Mädchens Leben durchzogen haben?
    »Sie denken an Ihre Schwester«, sagte ich leise. Eigentlich war es eine Frage.
    Emily nickte.
    »Ich fühle mich, als würde ich innerlich sterben.« Sie sah mich an, und selbst in dem schmutzigen Dämmerlicht des Raumes besaß das Mondsteinauge einen schönen, hellen Glanz. »Kennen Sie auch dieses Gefühl, Wittgenstein? Es ist, als gefriere einem das Herz zu einem schweren, harten Klumpen Nacht.«
    »Ich weiß, was Sie meinen.« Vielleicht, dachte ich, sollten wir die Zeit mit einer Geschichte überbrücken. »Es gibt da etwas, wovon ich Ihnen erzählen könnte.«
    »Es geht um all das, was Ihnen damals widerfahren ist, stimmt’s?«
    »Ja.«
    Wie lange war dies nun her, und wie oft träumte ich noch immer davon?
    »Ja, Miss Laing, ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn einem das Herz zu einem schweren Klumpen Nacht gefriert.« Dann, in der Stille des Kerkers, erzählte ich ihr davon, was sich damals zugetragen hatte.
    Damals, als die vielen Schornsteine in London ihren Rauch in den Himmel geblasen hatten, bis dieser aus nichts anderem mehr als dem Rauch bestanden hatte.
    Schweren Herzens fasste ich in Worte, worüber ich nie wieder hatte sprechen

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