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Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Titel: Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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verstand sofort. »Wo ist er?«
    Scarlet schaute in die Zuschauerränge, dorthin, wo sich Schlafwandler und Wendigo noch bekämpften.
    Mist.
    »Wunderbar«, fluchte Jake.
    Das Lichtspieltheater umfasste, die Logen inbegriffen, nahezu viertausend Sitzplätze. Das Parkett war also groß genug, um sich darin zu verlaufen. Und irgendwo dort lag der Stock oder Säbel – oder was immer es auch war – des Kojoten.
    »Du bist dir wirklich sicher, dass es genau der Teil des Parketts
ist?« Jake meinte genau den Teil des Lichtspieltheaters, der voller Schlafwandler war.
    »Ja, sieht so aus.«
    »Na wunderbar!«
    Für einen Moment standen wir alle drei regungslos da.
    Die Schlafwandler und die Wendigo lieferten sich vor unseren Augen ein blutiges Gefecht.
    Jetzt, da Virginia Dare und der Kojote endgültig entkommen waren, schienen die Kreaturen ihrer Wut Luft zu machen. Doch was immer die Schlafwandler bei den beiden Pagen getan hatten, bei den Wendigo wollte ihnen das nicht so recht gelingen.
    Vielleicht, so dachte sich Scarlet, war es nicht möglich, Kälte mit Kälte zu bekämpfen. Vielleicht waren die Wendigo mächtigere Wesen als die Dreamings? Vielleicht war alles auch ganz anders?
    Am Ende waren das nur Vermutungen.
    Die Wendigo stürzten sich jedenfalls mit der ganzen Inbrunst des Jägers auf die Schlafwandler. Scarlet fühlte sich an das erinnert, was sie mit Keanu gemacht hatten. Noch immer setzte ihr die Erinnerung zu. Das Blut an ihren Händen, seine Tränen, sein Tod. Sie wusste nicht einmal, was sie mit seinem Körper gemacht hatten. Sie betrachtete die Wendigo und wollte die Antwort eigentlich gar nicht wissen.
    Was hatte er sich nur dabei gedacht, sie so alleinzulassen. Keanu hätte sie nicht verlassen dürfen. Vielleicht wären sie beide entkommen, irgendwie. Es hätte womöglich einen Weg gegeben. Einen, der ihnen beiden die Zukunft versprochen hätte, die sie sich so erträumt hatten.
    Er hätte sie nicht verlassen dürfen.
    Niemals hätte er das tun dürfen.

    Doch nein, das hatte er nicht.
    Sie schluckte, und es tat weh, sogar im Hals.
    Er hatte ihr das Leben gerettet und den Tod gewählt, damit sie weiterleben konnte. Sie berührte das leere Amulett, das sie niemals fortgeben würde. Nein, niemals.
    Keanu hatte ihr die Pforte geöffnet.
    Aber er hatte keinen Stock mit einem Schakalkopf gehabt.
    Er hatte nichts gehabt.
    Und doch war die Tür aufgegangen.
    Wie war das möglich gewesen?
    »Ich hole ihn!« Jake sah sie an. »Du bleibst hier. Und Sie auch, Mistress Atwood.«
    Die Wendigo sprangen die Schlafwandler an und setzten ihnen mit Krallen und Klauen zu. Im Gegensatz zu Menschen, denen man solche Wunden beigebracht hätte, gaben die Schlafwandler jedoch nicht auf. Sie stürzten sich immer wieder aufs Neue auf die Wendigo, und ihre nicht verebbende Zahl machte den Schneewesen irgendwann doch zu schaffen.
    »Dort drüben ist eine weitere Tür«, bemerkte ich.
    »Wo?«
    »Im Orchestergraben.« Sie war von einem Vorhang verdeckt. »Wir sollten die Tür da unten benutzen.«
    »Gute Idee. Sieht nicht so aus, als hätten die Schlafwandler sie entdeckt.« Er machte sich bereit.
    »Sei vorsichtig«, bat Scarlet ihn.
    Jake musste mitten durch die kämpfenden Kreaturen hindurchlaufen. Er holte tief Luft.
    »Keine Sorge, ich bin gleich wieder da.«
    Scarlet mochte nicht, was er da sagte. »Du willst den Helden spielen?«

    Er grinste verwegen, doch seine Augen taten es nicht. »Hey, ich bin der Held«, sagte er.
    Und rannte los.
    »Kommen Sie!«, forderte ich Scarlet auf und zog sie hinter mir her, mitten in den Orchestergraben hinein. »Hier sind wir vorerst sicher vor ihren neugierigen Augen.« Die alten Instrumente, auf denen sich eine dicke Staubschicht wie ein Filztuch ausgebreitet hatte, standen noch überall herum.
    Scarlet riss sich los und stellte sich auf die Zehenspitzen und lugte über den Rand des Grabens.
    Wenn ausreichend viele Schlafwandler sich auf einen einzigen Wendigo stürzten, dann konnte es sogar sein, dass dieser sich verzweifelt in wildes Schneegestöber auflöste. Die Schneeflocken, die auf diese Art entstanden, wirbelten durch den Saal, ehe sie tot zu Boden sanken. Scarlet ging davon aus, dass ein Wendigo, dem dies widerfuhr, endgültig starb.
    Andere Wendigo hingegen wechselten freiwillig ihre Form, wirbelten schnell als Schnee durch den Saal und nahmen an einer anderen Stelle wieder die Wolfsform an, um weitere Schlafwandler aufzuschlitzen.
    Scarlet fragte sich, wie die Schlafwandler

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