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Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Titel: Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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ungeduldig.
    »Zufall?«, fragte Christo Shakespeare.
    »Was meinen Sie?«
    »Der Park drüben am East River, in dem Gracie Mansion steht, heißt Carl Schurz Park.«
    Zwei Orte in der Stadt, die mit derselben Person im Zusammenhang stehen? Und an beiden könnte sich ein Tor zur Hölle befinden? Ist das nicht ein wenig zu arg konstruiert?, meinte Buster Mandrake.
    »Wer weiß?«
    Scarlet starrte das Denkmal an und lief dann weiter.
    »Carl Schurz war Innenminister. Das heißt, er hatte Kontakt zu all den Großen und Mächtigen der Stadt. Zu den Van Winkles, Knickerbockers, Astors und so weiter. Nicht zu vergessen die Eistoten.«

    »Schön und gut«, sagte Scarlet, »aber hilft uns das jetzt weiter?«
    »Nein, nicht unbedingt.«
    »Also …«
    »Also?«
    »Also ist es egal«, sagte sie.
    Christo Shakespeare zuckte die Achseln.
    Wir liefen den Hang hinab und schlugen den linken Weg ein, durch den Morningside Drive bis zur 113th Street, wo wir die Notre Dame Church und das St. Luke’s Hospital zu unserer Rechten liegen ließen.
    Dann sahen wir sie schon.
    Die Cathedral of St. John the Divine , fiepte Buster.
    Erst zu zwei Dritteln fertiggestellt, war dies schon jetzt ein monumentaler Bau, der einmal die größte Kathedrale der Welt sein würde.
    Das Hauptschiff und die Westfront waren im gotischen Stil gehalten. Spitze Bögen umrahmten die mächtigen Eingänge, Wasserspeier saßen auf den Dächern der Seitenschiffe und starrten Neuankömmlingen wachsam entgegen.
    Die Westtürme fehlten noch, was die Kathedrale ein wenig aussehen ließ wie einen Teufel, dem man die breiten Hörner gestutzt hatte.
    Nicht zuletzt lag das daran, dass auch der Vierungsturm, der die Kreuzform der Kathedrale betonen sollte und im Schnittpunkt von Querschiff und Hauptschiff lag, ebenso wenig beendet war. Mit ein wenig Glück sollte die Kathedrale aber innerhalb der nächsten zehn Jahre fertiggestellt sein.
    Wie gesagt, mit ein wenig Glück.
    »Sie ist riesig«, flüsterte Scarlet.

    Und Buster antwortete: Groß genug jedenfalls, um tagelang nach einem Portal zu suchen.
    Wir beschleunigten unsere Schritte.
    Ein neues Heulen erklang, näher als das vorherige.
    Drüben sahen wir die Fassade der Butler Library und die ersten Gebäude der Columbia University, wo 1968 die gro ßen Studentenunruhen begonnen hatten. Es war nicht mehr weit bis zur Amsterdam Avenue, wo wir zum Hauptportal der Kathedrale gelangten.
    »Wo fangen wir mit der Suche an?«, fragte ich.
    »Drinnen«, war Christo Shakespeares Antwort.
    Das gewaltige Bauwerk warf einen langen Schatten.
    Die Portale an der Westfront sind kunstvoll behauen. Sie zeigen Szenen aus dem Leben der Engel und eine apokalyptische Darstellung der Skyline Gothams.
    »Als hätte der Bildhauer geahnt, dass die Türme einmal einstürzen würden«, sagte ich.
    Christo Shakespeare warf mir einen traurigen Blick zu. In ganz Gotham gab es wohl kaum jemanden, der nicht einen Bekannten oder Freund betrauerte, der sich in den Türmen oder in ihrer Nähe aufgehalten hatte, als die beiden Flugzeuge den Tag in eine Totenmesse verwandelten.
    »Kommen Sie«, forderte Scarlet uns auf, öffnete die Tür und trat ein.
    Wir folgten ihr.
    Betraten die Kathedrale.
    Jeder unserer Schritte hallte laut von den hohen Wänden wider.
    Von draußen wehte das Heulen der Wendigo an uns heran wie ein dunkles Versprechen aus Zähnen und Klauen.
    Scarlet blieb mitten im Hauptschiff stehen.

    »Irgendwo in dieser Kathedrale muss ein Portal sein«, murmelte ich.
    »Glauben Sie.«
    Hoffst du , sagte Buster.
    Den Innenraum prägten Reihen von Säulen, die mächtig in die Höhe ragten und das Deckengewölbe stützten. Siebzehn Meter hoch und gehauen aus grauem Granit, poliert und mit feinen Mustern versehen. Die bunte Fensterrose über dem Altar war ein Symbol für die Vielfalt jedes Glaubens in der Welt. Die Strebepfeiler ließen die Kathedrale wie ein lebendiges Wesen erscheinen, in dessen Innerem wir uns befanden.
    »Da drüben!«, rief ich.
    Ich hastete zum Bischofsstuhl, der eine exakte Kopie des Stuhls von Henry VII. aus der Westminster Abtei in London war. Ich berührte ihn, tastete ihn ab, suchte nach versteckten Mechanismen.
    Ohne Erfolg.
    »Nichts!«
    Christo Shakespeare lief in Eile nach hinten in die St. Ambrose Chapel, und dort untersuchte er die feinen Eisenarbeiten, die Pflanzen, Tiere, Menschen und Heilige zeigten.
    Auch nichts.
    Er kehrte zu uns zurück.
    Irgendwo muss doch etwas sein . Buster Mandrake hüpfte flink über den

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