Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Titel: Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
oben auf Scarlets Hut, dann auf ihre Schulter. Er stupste sie mit der Nase an.
    Danke , hechelte er. Tausend Dank .
    Scarlet nickte nur. Sie spürte, wie der Eiszapfen in ihrer Hand zu schmelzen begann, dort, wo sie ihn festhielt.
    Es würde nicht mehr lange dauern, und …
    Nein.
    Sie durfte nicht daran denken.
    Beide standen wir mit dem Rücken zur Skulptur, während die pelzigen Jäger uns umkreisten.
    Drüben, am Westeingang, hatte es Christo Shakespeare schon fast bis zur Kathedrale geschafft. Die Wendigo beachteten ihn kaum mehr. All die schmalen rot glühenden Augen waren auf uns konzentriert. Christo Shakespeare lief weiter zum Portal und blieb dort außer Atem stehen und sah zu uns herüber.
    Zwischen uns bewegten sich die Wendigo.
    Zehn.
    Fünfzehn.
    Zwanzig.
    Neue Schneewirbel kamen hinzu und nahmen Gestalt an.
    »Wie weit können Sie werfen?«, fragte ich Scarlet.
    Sie starrte mich an.

    Buster machte ein dummes Gesicht. Das ist nicht dein Ernst, Anthea .
    »Doch, ist es.«
    Scarlet verstand.
    Ich will das nicht.
    »Ich helfe Ihnen ein wenig.«
    Scarlet packte den Streifenschwanzmungo mit beiden Händen und warf ihn über die Köpfe der Wendigo hinweg in Richtung Kathedrale. Ich selbst konzentrierte mich und stabilisierte Buster Mandrakes unbeholfenen Flug, so gut es ging.
    Die Wendigo knurrten.
    Christo Shakespeare riss verwundert die Augen auf, als er den fliegenden Streifenschwanzmungo auf sich zukommen sah.
    Buster Mandrake stürzte mit einem kläglichen Jaulen in den Schnee, keine zwei Meter von Shakespeare und dem Portal entfernt. Er rappelte sich schnell auf, streckte sich und rannte in die Kathedrale hinein. Christo Shakespeare zögerte noch, doch als die Wendigo sich ihm näherten, blieb ihm gar keine andere Wahl, als ebenfalls die Kirche zu betreten.
    Er schloss die Tür hinter sich.
    Die Wendigo ließen von ihm ab.
    »Na, was habe ich gesagt? Heiliger Boden!«
    Scarlet warf mir einen Blick zu, der mir zu schweigen gebot.
    Die Wendigo kamen auf uns zu.
    »Ist das unser Ende?«, fragte ich.
    Scarlet schaute zu dem Engel hinauf und flüsterte: »Bitte, hilf uns.« Das war alles.
    Der Wendigo, der wohl das Rudel anführte, spannte die
Muskeln an, und dann sprang er. Mit einem großen Satz näherte er sich. Die spitzen Zähne würden einen schnellen Tod bringen, wenn sie richtig zubissen.
    Scarlet erinnerte sich an Keanu, an das viele Blut, das aus den Wunden geflossen war.
    Sie erwartete den Aufprall.
    Die Fänge des Wendigo.
    Den kalten Tod.
    Und dann erstarrte alles, aber auch wirklich alles, in seiner Bewegung.
    Ja, selbst die wuselnden Schneeflocken erstarrten mitten in der Luft.
    Wie kleine Wattetupfer aus Zucker schwebten sie in der Nacht.
    Scarlet sah, wie die Nackenhaare des Wendigo, die sich eben noch aufgestellt hatten, jetzt wie winzige Nadeln in die Höhe ragten.
    Die Bäume bogen sich nicht mehr im Wind.
    Nichts bewegte sich mehr.
    Es herrschte Ruhe.
    Stille.
    Plötzlich vernahmen wir ein lautes Knirschen.
    Es war Metall, kalt und biegsam, das den Schnee abschüttelte. Eiszapfen fielen klirrend auf die gelben Steine am Boden des Brunnens. Wie Glasscherben hörten sie sich an.
    Wir drehten uns um.
    Der Erzengel bewegte die Schwingen und sah auf uns herab. Die Augen aus Bronze blickten uns neugierig an. Die Skulptur erhob sich in die Lüfte, schwebte durch die erstarrten Schneeflocken hindurch und kam vor uns auf dem Rasen zum Stehen.

    »Ihr habt das Herz eines Engels«, sagte er mit einer tiefen Stimme. »Und Augen, die zu sehen vermögen.«
    »Danke«, erwiderte ich.
    Er sah mich an. »Ich meinte Eure Begleiterin.«
    »Oh.«
    Auch gut.
    Scarlet trat einen Schritt zurück. »Habt Ihr das gemacht?«
    Der Engel aus Bronze nickte. »Ihr habt erkannt, dass ich lebe. Ihr habt mich angesprochen.« Er lächelte schimmernd. »Ich bin erlöst.«
    Scarlet wusste nicht, was er meinte. »Ihr wart in dieser Figur gefangen?«
    »Die Mala’ak ha-Mawet brachten mich hierher und gaben mir die Gestalt, die Ihr nun seht. Als Mut und Kraft gefragt waren, da hatte ich versagt. Dafür erhielt ich diese Strafe. Erstarrt in der Zeit selbst, musste ich das Portal bewachen.« Er blinzelte, streckte die Flügel, faltete sie, breitete sie erneut aus. »Ich bin Michael, der Engel des Mutes und der Kraft. Wohin wollt Ihr gehen?«
    Scarlet wusste nicht genau, warum sie es sagte, aber sie tat es. »Wir suchen den großen Zauberer von Oz.«
    »Ihr wollt wirklich in die Hölle eintreten?«, fragte

Weitere Kostenlose Bücher