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Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Titel: Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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war.
    Das Heulen der Wendigo indes kam näher und näher.
    Schüsse hallten durch die Station.
    Laut, klagend, verzweifelt.
    Die Wendigo hatten also die Polizisten erreicht.
    Jake drehte am Gas.
    »Wir schaffen es«, sagte Scarlet. Sie hatte gedacht, dass sie etwas sagen sollte. Also hatte sie es getan.
    Dann tauchte der Bahnsteig vor ihnen auf.
    Die Midnight Star schlidderte über den Boden.
    Die Menschen stoben auch hier zu allen Seiten davon.
    Scarlet erhaschte einen flüchtigen Blick auf die Anzeigetafel. Der Zug in Richtung Columbus Circle würde in einer Minute einfahren. Es war nur diese eine Minute, die ihnen blieb, um das zu tun, was sie vorhatten. Doch was genau hatte Jake vor? Er hatte es ihr nicht gesagt. Nicht ausdrücklich,
nicht wirklich. Dabei wirkte er so, als wüsste er genau, was er tat.
    »Was …?« Die Frage blieb ihr im Halse stecken.
    Jake steuerte auf die Gleise zu, Irrtum ausgeschlossen. Er verlor keine Zeit.
    Bevor Scarlet etwas einwenden konnte, landete die Maschine mit einem Satz zwischen den Gleisen.
    Das Motorrad setzte hart auf und schwankte heftig, blieb stehen. Mit einem erstickenden Geräusch ging der Motor aus.
    »Mist«, fluchte Jake.
    Es erklang ein lautes, hungriges Heulen.
    Er drehte mit aller Kraft die Kupplung und gab gleichzeitig Gas mit der anderen Hand.
    Mit einem Stottern erwachte die Maschine zu neuem Leben.
    Das Heulen war jetzt ganz nah.
    Die Wendigo holten auf.
    Die Menschen, denen sie begegneten, kreischten vor Panik auf.
    Man konnte an den lauter werdenden Schreien erkennen, wie schnell die Wendigo sich dem Bahnsteig näherten.
    »Sie lassen nicht locker«, sagte Scarlet.
    Jake murmelte nur: »Mistviecher!«
    Und schaltete das Licht ein.
    Ein lauwarmer und immer stärker werdender Fahrtwind traf sie von hinten, gefolgt von einem Rumpeln, das Scarlet nur zu gut kannte. Immer lauter wurde das Geräusch.
    Der Zug!
    Jake trat erneut die Kupplung.
    Die Maschine sprang nach vorn.

    Holpernd fuhren sie in den Tunnel hinein. Hinter sich hörten sie die Bremsen des Zuges quietschen.
    »Findest du, das war eine gute Idee?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nicht unbedingt.«
    Trotzdem fuhren sie weiter. Ein Zurück gab es nicht.
    Es roch nach Maschinenöl und Metall, nach Erde und Feuchtigkeit. Sie kamen an halb zerfallenen Bretterbuden vorbei, die von den hiesigen Maulwurfsmenschen neben den Gleisen errichtet worden waren. Signale rauschten an ihnen vorbei, Graffiti wie aufblitzende Fratzen schauten hinter ihnen her.
    Das Heulen der Wendigo wurde geradezu unerträglich.
    Es waren Laute, wie man sie normalerweise nur in den tiefen Wäldern jenseits der großen Seen vernahm.
    Scarlet drehte den Kopf und schaute nach hinten in den Tunnel hinein.
    Die hell erleuchtete Öffnung, die der Eingang zur Station war, wurde kleiner und kleiner.
    Zwei Gestalten sprangen dort nun auf die Gleise und rannten hinter ihnen her. Man konnte die spitzen Ohren erkennen, deutlich hoben sie sich ab im matten Lichtschein, der vom Bahnsteig her kam. Dann füllte der angekommene Zug die Öffnung aus, und die Wendigo wurden von der Fins ternis verschluckt.
    »Sie sind noch immer da.«
    »Oh, Mist!«
    Jake fuhr so schnell es ging.
    »Wo willst du eigentlich hin?«
    »Broadway Siding«, keuchte er. »Keine Angst, ich kenne den Weg.«
    Scarlet schwieg.

    Hielt sich nur fest.
    Dann endlich tauchte das Siding auf. Jake bremste ab, bevor er die Weichen erreichte. Behutsam lenkte er das Motorrad darüber und fuhr auf dem Rangiergleis weiter.
    Ein blinder Mann mit zwei Augenklappen stand dort, am Gleisrand, gestützt auf einen Stock. Auf den Augenklappen standen die Worte Justice und Peace .
    »Wohin wollt Ihr, Fremde?« Seine Stimme war wie schmutziges Moos. »So sprecht, wenn Ihr Einlass begehrt!«
    Jake ließ, statt einer Antwort, den Motor laut aufkreischen. »Versteck dich, schnell!«, rief er dem Mann zu, das war alles. Die Maschine rollte an dem Mann vorbei, und Scarlet konnte noch erkennen, wie der Alte sich, gleich einem Igel, irgendwo tief in der Dunkelheit zusammenrollte. »Das war nur ein Torwächter«, erklärte Jake. »Ihm wird nichts geschehen.«
    Scarlet blieb keine Zeit, genauer darüber nachzudenken.
    »Es geht abwärts!«, sagte Jake.
    Der Weg, den sie genommen hatten, mündete in einen runden Tunnel, der wie ein Wasserrohr aussah.
    »Das ist ein Teil des alten Croton Reservoirs«, erklärte Jake. »Eine Zuleitung zur großen Zisterne.«
    Das Motorrad fuhr nun abwärts, und im Lichtkegel erkannte

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