Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Titel: Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
wie ein Hauch von Cockney.
    »Doch nun«, sagte Mr. Wolf.
    »Zu dir«, sagte Mr. Fox.
    Der wieder näher gekommene Wendigo betrachtete seinen toten Gefährten, der sich vor aller Augen in ein Gestöber aus schmutzigem Schnee auflöste und eins mit dem brackigen Wasser in den Pfützen wurde.
    Dann trat Mr Fox dem Wendigo entgegen. »Lauf zu deiner Herrin, dumme Kreatur. Lauf zu Lady Solitaire, und berichte ihr, was du gesehen hast.« Er strich sich das Haar aus dem Gesicht.
    Mr. Wolf hob drohend die Armbrust, für alle Fälle.
    Der Wendigo starrte die beiden seltsamen Herren ratlos an. Er knurrte leise, und fast hörte es sich an, als habe er Angst. Dann zog er sich in die Schatten, aus denen er hervorgetreten war, zurück.
    »Er ist fort«, stellte Mr. Wolf fest.
    »Danken Sie uns«, sagte Mr. Fox.
    Doch noch bevor Scarlet oder Jake etwas sagen konnten, verneigten sich die beiden Gestalten.
    »Wir werden Sie jetzt verlassen«, sagte Mr. Wolf.
    »Seien Sie vorsichtig«, riet ihnen Mr. Fox.
    »Die Welt ist gierig.«

    »Und Zufälle, meine Liebe, gibt es nur sehr, sehr selten.« Mr. Fox grinste, als habe er einen vortrefflichen Scherz gemacht. »Seien Sie auf der Hut, Scarlet Hawthorne.«
    »Und denken Sie daran«, fügte Mr. Wolf hinzu, »allzeit die richtigen Fragen zu stellen.«
    Dann machten sie kehrt und gingen einfach fort, als wäre nichts geschehen.
    Scarlet und Jake schauten ihnen hinterher, bis die tiefe Finsternis sie verschluckt hatte. Die klappernden Schritte der beiden waren schnell verhallt, und das Einzige, was blieb, war die Erinnerung an seltsame Schiffe, die des Nachts vorüberfahren, mit Segel, Schwert und seltsamem Gebaren, doch rettend wie der Rose spitzer Dorn.

KAPITEL 9
    SEEMANNSGARN
    »Sie sind fort.«
    Scarlet stand in dem Tunnel und starrte in die Dunkelheit. Sie konnte kaum fassen, was gerade geschehen war. Aber es war vorbei, und nur das war wichtig.
    »Wir sollten von hier verschwinden«, drängte Jake.
    Scarlet stimmte dem zu.
    Sie hatte keine Ahnung, wer die beiden seltsamen Fremden wirklich gewesen waren. Die beiden Wendigo waren sie zwar losgeworden, aber das musste nicht unbedingt bedeuten, dass sie sich aller Sorgen entledigt hatten.
    »Sie kannten meinen Namen«, besann sich Scarlet, gedankenverloren und neugierig zugleich.
    Dann dachte sie an die Namen der beiden: Mr. Fox und Mr. Wolf. Etwas ganz tief in den Augen der beiden hatte uralt gewirkt. Wie eine rostige Melodie aus roten Harmonien, die gar keine sind, ein Lied, das seit Jahrhunderten schon gespielt wurde.
    »Die beiden führen etwas im Schilde. Gestalten wie sie gibt es scharenweise hier unten. Sie helfen einem, wenn es für sie selbst von Vorteil ist. Man darf ihnen nicht trauen.« Jake
kontrollierte das Motorrad, klopfte gegen die Leitungen, nickte zufrieden.
    Die Midnight Star war eine robuste Maschine, und nach all den Irrungen und Wirrungen würde sie die beiden Flüchtenden nun hoffentlich weiter auf ihrem Rücken durch die Tiefen New Yorks tragen.
    Jake stieg auf, Scarlet hinter sich wissend.
    »Bereit?«
    Sie lehnte sich an ihn. »Bereit!«
    Dann fuhren sie los.
    Weiter hinein und tiefer hinab, durch Gänge, deren Wände und Decken von morschen Holzbalken gestützt wurden, über Brücken, unter denen bodenlose Fluten rauschten.
    Die tiefe Nacht verbarg hier unten mehr, als sie preiszugeben bereit war. Und Jake Sawyer schwieg so beharrlich, als habe es ihm die Sprache verschlagen.
    Seit einer halben Stunde waren sie nun so unterwegs.
    Scarlet hatte den Eindruck, dass sie sich immer tiefer in die Erde vorwagten. Die Tunnelwege, die sie nahmen, fielen teilweise so steil ab, dass sie spürte, wie sie auf dem Sitz nach vorn rutschte und sich ganz dicht an Jakes Rücken drängte. Sie ließ es einfach geschehen, denn es tat gut, seine Nähe zu spüren. Zu wissen, dass sie nicht allein war hier unten, gab ihr Zuversicht.
    Nach einiger Zeit wurden die Rohre, durch die sie fuhren, breiter und höher. An manchen Stellen hingen Laternen, in denen rote Grablichter brannten. Zackige Schatten tanzten auf den Wänden, die an vielen Stellen feucht und an manchen Stellen von nahezu weißen Wurzeln bedeckt waren.
    Jake sprach noch immer nicht mit ihr. Nur manchmal warnte er sie vor, wenn er im Schein der Lichtkegel etwas sah, was
ihren Augen verborgen blieb. Es gab wütende Fallwinde hier unten, versteckte Gruben, verlassene Tunnel und ausgetrocknete Reservoirs. Der Untergrund von New York war ein Ort wie kein anderer, den Scarlet

Weitere Kostenlose Bücher