Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Titel: Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
vermochten. Sie hoffte inständig, dass den Löwen nichts zustieß.
    Jake indes beachtete die Kampfgeräusche anscheinend gar nicht mehr.
    Er widmete sich jetzt ganz der Maschine. Behände griff er in den Motor, zog einige Schläuche, stöpselte sie um, fingerte an Drähten herum, klopfte gegen silberne Teile.
    Seine Augen leuchteten, als er sich derart an dem Motorrad zu schaffen machte.
    »Du willst sie stehlen?« Scarlet trat auf ihn zu.
    Er sah Scarlet nicht einmal an, und ein unternehmungslustiges Lächeln schwang in seiner Stimme mit. »Nun ja,
sagen wir mal, ich will sie mir bloß kurz borgen.« Und mit einigen schnellen Handbewegungen, die viel zu geübt waren, um auch nur im Entferntesten annehmen zu lassen, er mache das hier zum ersten Mal, schloss er die Maschine kurz. »Wir machen jetzt eine Tour durch die Stadt«, presste er hervor. »Komm, steig schon auf.« Er schwang sich in den Sattel der Maschine, und Scarlet tat es ihm gleich. »Deine Arme«, forderte er sie auf, »halt dich gut fest.« Er zwinkerte ihr zu.
    Und dann legte sie beide Arme um seinen Körper. Ihr Gesicht war jetzt dicht an seinem Haar. Es roch gut, nach Regen und Meer, irgendwie. Und es war eisig kalt. Scarlet trug keine Mütze. Jake ebenso wenig.
    Weiter hinten, am Eingang, kämpfte ein Wendigo, der größte der Gruppe, gegen beide Löwen gleichzeitig, und die anderen beiden Kreaturen nutzten die Ablenkung, um unbehelligt aus der Wolke herauszutreten und in den Park hineinzulaufen.
    »Sie kommen!«, schrie Scarlet.
    Jake kuppelte mit der linken Hand, löste die Bremshebel, legte mit dem linken Fuß den Gang ein. Mit einem lauten Brummen erwachte die Maschine zum Leben.
    Jake ließ die Reifen laut quietschen. Sie drehten sich schneller und schneller auf dem gefrorenen Untergrund.
    »Weißt du, was du da tust?«, schrie Scarlet.
    »Das ist eine Midnight Star . Vertrau mir!«
    Mit einem gewaltigen Satz sprang die Maschine nach vorn. Scarlet spürte einen kräftigen Ruck und klammerte sich ganz fest an Jake. Sie spürte die Anspannung seines Körpers, roch das Leder des alten Mantels, selbst die Wolle des Pullovers. Sie verbarg ihr Gesicht an seinem Hals und schloss einen Moment lang die Augen. Der Moment währte nicht
länger als ein kurzes Augenzwinkern im Sonnenschein, aber lange genug, um ihr bewusst zu machen, dass sie jemanden gefunden hatte, dem sie vertraute. Das Gefühl, dass es gut war, bei ihm zu sein, bestürmte sie einfach so, wie Gefühle es manchmal eben tun, in unpassenden Momenten zu so unpassenden Zeiten. Sie öffnete die Augen wieder und sah den Ohrring dicht vor sich, die Bartstoppeln, die Brille.
    Jake hielt kurz an, sah sich um, wendete das Motorrad auf der Stelle.
    »Wir müssen es schaffen«, hauchte Scarlet ihm ins Ohr.
    Jake drehte den Kopf ein wenig zur Seite. »Bereit für einen Ausflug?«, fragte er lässig.
    »Ja«, sagte Scarlet, die wusste, dass die Lässigkeit nur gespielt war.
    Auch Jake fürchtete sich vor den Wendigo.
    »Es geht los!« Er startete durch.
    Hinter ihnen kamen die zwei Wendigo über den weißen Rasen gestürmt. Sie liefen auf Händen und Füßen, sprangen mit großen Sätzen vorwärts, und ihre Augen ließen nicht von der Beute ab. Eine nebelhafte Wolke umgab sie, trieb sie nach vorn.
    »Lass uns ihnen einfach davonfahren!«, rief Jake.
    Und gab Gas.
    Er lenkte das Motorrad durch den Park. Das Hinterrad wirbelte schmutzigen Schnee auf.
    Im Rückspiegel wurde Scarlet der beiden Wendigo gewahr, die ihnen dicht auf den Fersen waren. Die Wesen liefen schnell, wie Geparden. Winzige Dinge im Spiegel, dachte sie, sind näher, als sie zu sein scheinen. Kein beruhigender Gedanke, nein, wirklich nicht.
    Jake fuhr auf eine Hecke zu, suchte nach einem Durchgang,
bremste ab, als er einen Fußgängerweg entdeckte, beschleunigte erneut. Mit einem Satz sprang die Maschine auf die West 42nd Street und preschte mitten in den Verkehr hinein. Autos bremsten, hupten, Yellow Cabs flogen nur so an ihnen vorbei. Jake lenkte die Maschine zwischen den Autos hindurch, als würde er das jeden Tag tun. Wie ein Wirbelwind fuhr er durch das Labyrinth zwischen den sich bewegenden Autos und verlagerte sein Gewicht, um nicht mit einem von ihnen zu kollidieren.
    Er fuhr südwärts, Macy’s entgegen, die Avenue of the Americans hinab.
    Die Wendigo indes waren noch immer auf der Jagd. Auch sie waren jetzt auf der West 42nd Street.
    Mit großen Sätzen sprangen sie über die Straße.
    »Sie sind noch da!«, schrie Scarlet

Weitere Kostenlose Bücher