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Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Titel: Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Central Parks, und das Murray Hill Reservoir an der 5th Avenue, gleich unterhalb der Public Library. Von diesen Reservoirs aus verliefen Leitungen und Nebentunnel in alle Himmelsrichtungen wie feine Arterien, die den Lebenssaft der Stadt bis ins südliche Manna-hata pumpten.
    »Hier unten befindet sich einer der großen Märkte Gothams«, erklärte Jake ihr und lenkte das Motorrad mitten in die fremde Welt hinein.
    Es kostete ihn keinerlei Mühe, den Vorhang zur uralten Metropole zu öffnen.
    Scarlet wurde eines Lochs in der Röhrenwand gewahr.
    Dort raste das Motorrad hindurch.
    Und dann bog Jake auch schon in die 5th Avenue Downtown ein.
    »Willkommen«, sagte er, »in der Stadt unter der Stadt.«
    Scarlet schaute sich um, sog die fremden Eindrücke förmlich in sich auf. Sie befand sich auf einmal in einer riesigen Höhle, die kein Ende zu haben schien. An den Wänden befanden sich zahllose kleine Fensteröffnungen und Türen. Laufstege liefen von einem Haus zum nächsten. Es waren gewaltige Häuserblöcke, Bauten, die mit ihren weiß getünchten Mauern und klobigen Öffnungen nicht von ungefähr an die Pueblos des Westens erinnerten. Selbst von den Decken hingen richtige Häuser, Stalaktiten gleich, mit scheinbar winzigen Fenstern und langen Strickleitern, die zu den nächsten Stegen führten, die sich einige Stockwerke weiter unten befanden. All diese Bauwerke schoben sich übereinander, stützten einander und hielten sich am Felsgestein fest. Ihre
Bewohner liefen auf den hölzernen und eisernen Laufstegen entlang und gingen ihrem Tagewerk nach.
    Unten verlief eine breite Straße von einem Ende der Höhle zum anderen. Blinde Wesen, die wie missgestaltete Pferde aussahen, zogen ausgebrannte Autos, hölzerne Karren und elegante Kutschen.
    Jake lenkte das Motorrad zwischen ihnen hindurch. Scarlet spürte, wie die Anspannung in seinen Körper zurückkehrte.
    Händler boten ihre Waren feil, überall. Sie handelten mit allem, dessen sie in den Schächten und Tunneln hatten habhaft werden können. Über kleinen Feuern brieten nackte Katzen, es gab Käfige, in denen lebendige Hunde darauf warteten, als Mahlzeit zu dienen. Es gab Hydranten, die mit Moos überwachsen waren, und Lampen, die mit Gaslicht brannten. Bunte Stoffe hingen an Haken. Es gab Stände, die Wodu-Puppen anpriesen, und solche, die Knoblauchkreuze verkauften. Die Pferdehändler mit ihren Augenklappen be äugten wachsam die Kunden, die sich in den Stallungen umsahen.
    »Dies hier«, sagte Jake, »ist Downtown Market.«
    »Du kennst dich hier aus?«
    »Ich bin ganz in der Nähe aufgewachsen«, gestand er ihr. »Weiter oben, wo sich die Essex Street und die Hester Street kreuzen. Aber ich kam schon früh hierher. Es war Mistress Atwood, die mir die uralte Metropole zeigte.« Wenn er seufzte, dann merkte es Scarlet an der Bewegung seiner Schultern. »Damals«, flüsterte er nur und schwieg dann lange. Viel zu lange, um es als gutes Schweigen zu deuten.
    Scarlet jedenfalls zog es vor, nicht weiter zu fragen. Da war etwas in seiner Stimme, was sie keine Worte mehr hervorbringen
ließ. Etwas, das wie eine Farbe war, die in ihrem Amulett schwamm.
    Etwas, das sie fast berühren konnte.
    Weil es auch in ihr war.
    Ein tiefer Schmerz.
    Rosenrot.
    Dumpf.
    Eiskalt.
    Schweigend fuhren sie weiter.
    Irgendwann änderte sich dann die Landschaft und mit ihr Scarlets Laune. Sie konnte jetzt eine Vielzahl von Kanälen erkennen. Lastkähne fuhren darauf, gezogen von Pferdewesen, die am Ufer entlangtrotteten. Die schmalen Grachten waren ein letztes Überbleibsel Neu-Amsterdams, das einmal hier gelebt hatte.
    »Wohin bringst du mich?«
    »Es gibt eine Taverne«, sagte Jake. »Drüben in den Chrysler Grounds befindet sich die Pequod , so heißt sie. Dort werden wir rasten. Und überlegen, was zu tun ist.« Er schwieg einen Moment lang und fuhr dann fort: »Ich kenne dort jemanden, der uns vielleicht weiterhelfen kann.«
    »Wen?«
    »Er ist ein Tunnelstreicher.«
    Scarlet kam diese Bezeichnung bekannt vor, wie so vieles hier unten. Doch zuordnen konnte sie das Wort nicht. Sie musste an Indianer denken, an schönen Schmuck aus Holz und Tätowierungen.
    Sie fuhren weiter. Das Motorrad wurde langsamer.
    Silberne Wesen mischten sich unter die Passanten. Sie hatten die Köpfe von Adlern und Wasserspeiern. Sie sahen metallisch aus, als trügen sie Rüstungen aus blitzendem Chrom.
Ihre Gelenke glichen Scharnieren, doch in den Gesichtern sah man lebendige Augen.
    »Das sind die

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