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Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Titel: Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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der Tunnelstreicher, als sie die Kloake verließen und in einen Versorgungstunnel einschwenkten. »Man sollte sie nicht stören bei dem, was sie dort tun.«
    »Und was tun sie?«
    »Wölfische Dinge«, sagte Queequeg nur.

    Scarlet ließ es dabei bewenden. Sie konnte sich vorstellen, was er meinte. Ob sie das wollte, wusste sie nicht.
    »Warum fragen wir ausgerechnet die Spinnen?« Die Vorstellung, schon bald mit den Spinnentieren reden zu müssen, gefiel ihr ganz und gar nicht. Einmal abgesehen von der Tatsache, dass sie keine Ahnung hatte, wie man mit Spinnen reden konnte. Und wie Spinnen selbst zu reden vermochten.
    »Die Spinnen und die Wölfe sind Geschwister, könnte man sagen.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    Jake schaute nur von Queequeg zu ihr und wieder zurück.
    »Kojote und Spinne sind beide die Kinder des Manitu«, erklärte Queequeg, »und wie alle Kinder des Weltenschöpfers, so haben sie einander oft geärgert und nicht selten hinters Licht geführt. Es gibt viele Geschichten, in denen sie sich an List und Tücke zu übertrumpfen versuchen und am Ende dann doch einander ebenbürtig sind. Ja, sie halten immer zusammen, wenn es knifflig wird. Wenn wir also erfahren wollen, wo wir den Kojoten antreffen, dann müssen wir die Spinnen befragen.« Seine Stiefelschnallen klimperten leise mit jedem Schritt. »Es gibt da eine Geschichte, die nicht oft erzählt wird.« Er drehte sich nicht um, wenn er redete, sondern schritt mit unverändert hohem Tempo weiter durch die Gänge, die Haken schlugen wie Tiere auf der Flucht. »Die Spinnen«, fuhr er fort, »lebten damals verstreut in den Wäldern und Wiesen der Welt. Sie spannten ihre Netze und lebten friedlich, bis der Träumer die Menschen erschuf. Die Menschen hassten die Spinnentiere. Sie waren voll des Ekels, wenn sie die Arachniden auch nur anschauen mussten. Dabei taten die Spinnen nichts Schlechtes. Im Gegenteil: Sie vertilgten, was sonst den Menschen zum Nachteil gereicht hätte. Sie fraßen die Wespenwesen,
die gierigen Fliegen, die hungrigen Madenmotten, die in den heißen Sommernächten schlimme Krankheiten verbreiteten, und anderes kleines Getier. Doch die Menschen, die schon immer ein friedloses Gemüt hatten, töteten die Spinnen, wo immer sie ihrer habhaft werden konnten. Sie zerrissen ihnen die Netze und töteten den Nachwuchs. Sie duldeten es nicht, dass die Spinnen in den Häusern lebten. Es war ein Ausmerzen, das kein Ende fand.«
    »Und die Spinnen?«, fragte Scarlet. »Haben sie sich denn nicht gewehrt?«
    »Sie waren zu schwach, um den Menschen etwas entgegenzusetzen. Spinne, ihr Gott, konnte zwar die Gestalt eines Menschen annehmen, aber das war nur ihm selbst möglich. Seinen Kindern war diese Wandlung verwehrt geblieben. Und sosehr sich Spinne auch mühte, Frieden mit den Menschen zu schließen, es gelang ihm einfach nicht.«
    »Was taten die Menschen?«
    »Sie töteten die Spinnen, wie sie es immer getan hatten. Sie töteten sie ohne Sinn und Verstand. Manche Menschen aßen auch Spinnen, aber das war eher die Ausnahme.« Queequeg lugte in zwei Abwasserrohre hinein, die in den Tunnel ragten wie spitze Zähne. Er klopfte auf das rostige Metall, lauschte, nickte, ging weiter. »Dann, eines Tages, bat Bruder Spinne den Bruder Kojoten um Rat. Er fragte ihn, ob er, der Herr der Wüste und der Prärie, seinem Volk helfen könne. Der Kojote überlegte. Das dauerte nicht lange, denn er war ein listiger Geselle.«
    Scarlet spürte, wie die Neugierde in ihr erwachte. Sie mochte diese alten Geschichten. Die Wahrheiten darin konnte man riechen wie den leichten Duft eines Gewürzes, der in der Luft schwebte. »Was hat er getan?«

    »Der Kojote fing einen Hasen, häutete ihn, briet ihn am Feuer und bot ihn dem Träumer an. Und der Träumer, der kein schmackhaftes Mahl ausschlug, begab sich zur Erde hinab und gesellte sich zu dem Kojoten. Der Kojote schenkte dem Träumer würzigen Maiswein ein, denn er war ein guter Gastgeber, selbst an einem kleinen Feuer wie diesem. Der Träumer aß und trank, und der Kojote sah dem mächtigen Schöpfer ruhig beim Essen und Trinken zu, und dann, als sie gemütlich dasaßen und sich Geschichten erzählten und die Sterne betrachteten, als der Kojote den Wein in der Stimme des Träumers riechen und hören konnte, da lud der Kojote den Träumer zu einem Kartenspiel ein. So saßen die beiden am Feuer, der Kojote mischte die Karten und teilte aus, und sie verglichen die Blätter. Sie pokerten mit den Einsätzen, die Götter

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