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Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Titel: Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Geschichte von Bruder Spinne und Bruder Kojote.« Es war keine Frage. »Wer ein Bewusstsein hat, der vermag auch zu träumen, es ist eigentlich ganz einfach. Wenn wir in dieser Gestalt leben, wenn aus vielen einer wird, dann können wir träumen. Wir haben es immer schon getan, weil es etwas war, was uns gefallen hat. Träume haben unsere Welt größer gemacht. So haben wir all das hier erschaffen können. Master John A. Roebling, der diese Brücke entworfen hat, damals, vor all den vielen, vielen Jahren, hat uns um Hilfe gebeten. Wir flossen zusammen und dachten alle nur einen einzigen Gedanken. Wir träumten einen gemeinsamen Traum und erblickten das größte Spinnennetz, das die Welt je gesehen hatte. Ja, wir konnten neue Welten erschaffen, Welten, die uns sonst verschlossen geblieben wären.« Die kleinen Münder machten ein wehmütiges Seufzen nach. »Doch jetzt richten sich die Träume gegen uns.«
    Der andere Spinnenmann, der bisher geschwiegen hatte, fuhr fort: »Wir können nichts dagegen tun. Wir bleiben also wach, sobald wir menschliche Gestalt angenommen haben, und dadurch werden wir dann schwach.«
    »Aber Ihr könnt doch schlafen, wenn Ihr nur Spinnen seid«, schlug Scarlet vor.
    Der Spinnenmann betrachtete sie neugierig. »Wer einmal in seinem Leben geträumt hat, der will dies wieder und wieder tun. Es ist wie Opium, wie all die Substanzen, die Menschen
benutzen, um ihr Bewusstsein zu erweitern. Wir können nicht auf die Träume verzichten. Zu lange haben wir in ihnen gelebt, Tag für Tag, Zeitalter um Zeitalter.«
    »Ihr meint, Ihr seid süchtig danach?«
    Der Spinnenmann nickte, und viele Spinnentiere fielen ihm aus dem Körper, sammelten sich wuselnd am Boden und wurden erneut Teil seiner Gliedmaßen. »Ja, das sind wir.«
    »Doch jetzt«, betonte der andere Spinnenmann, »können wir nicht mehr träumen.«
    »Denn wenn wir es tun, dann sterben wir.«
    »Aber wenn wir es nicht tun, dann leben wir nicht.«
    Scarlet und Jake wechselten Blicke.
    Die Spinnenleute waren in einem Dilemma gefangen. Konnte das der Preis sein, den ihnen die göttliche Gabe abverlangte?
    Diejenigen von uns, die schlafen, erstarren zu Eis. Nichts von ihnen bleibt. Alles verschwindet.
    Es war wie bei den Eistoten. Sie wurden zu Eis, tauten auf, zerflossen zu nichts.
    Konnte das etwa die Lösung sein? War Master Van Winkle gestorben, weil er in einem bösen Traum gefangen gewesen war? Weil sein Traum ihm etwas angetan hatte? Lebten Dreamings in den Träumen? Hatte er deswegen das Amulett mit den Pflanzen besessen? Weil es ihn vor ihnen hatte schützen sollen?
    Fragen über Fragen. Und immer noch keine richtigen Antworten. Denn selbst wenn dies der Grund für seinen Tod war – warum hatte es ausgerechnet ihn getroffen?
    »Ihr seht es jetzt, Streicher. Das ist das Leid, das uns befallen hat«, beendete der Spinnenmann seine Rede.

    »Und Ihr, Tunnelstreicher, habt ein Mittel dagegen?«, wollte jetzt der zweite Spinnenmann wissen.
    »Nein.« Queequeg schüttelte das Haupt. Er stand aufrecht und sah den Arachniden an.
    Die Spinnenwesen schwiegen.
    Dachten nach.
    Lauerten .
    Scarlet hatte kein gutes Gefühl bei der Sache, nein, ganz und gar nicht. Die Spinnen in den Gestalten wuselten immer aufgeregter hin und her. Es sah aus, als hielten sie Zwiesprache miteinander.
    »Wenn Ihr uns nicht helfen könnt«, sagte schließlich der erste Spinnenmann.
    »Dann seid Ihr nutzlos«, ergänzte der zweite Spinnenmann.
    Beide näherten sich dem Tunnelstreicher bedrohlich.
    »Haltet ein!« Queequeg hob die Hand. »Wir suchen nach den Drahtziehern. Wir suchen nach denen, die nicht nur Wesen wie Euch zu Eis erstarren lassen. Es passiert überall in der Stadt. Die Menschen sind ebenfalls betroffen. Es gibt Berichte, die von Dreamings künden.«
    »Dreamings?«, fauchte der Spinnenmann, der Queequeg am nächsten war.
    »Traumwesen, die tödlich sind«, antwortete der.
    »Was kann man gegen sie tun?«, wollte der Spinnenmann wissen.
    »Das wissen wir nicht. Aber wir versuchen, das Rätsel zu lösen.«
    »Das wird Euch nicht gelingen«, sagte der Spinnenmann.
    »Warum nicht?«
    »Ihr seid Menschen.«

    »Das stimmt.«
    »Ihr werdet es nicht schaffen. Ihr müsst noch viel, viel mehr schlafen, als es die Spinnen tun. Sie werden Euch zur Strecke bringen. Eure Träume, Streicher, sind Eure größte Schwäche.«
    »Wir folgen aber bereits einer Spur.«
    Der Spinnenmann trat weiter vor.
    Die Spinnen in seinen Augen drängten sich dicht an dicht zusammen,

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