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Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Titel: Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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bereits völlig eingesponnen hatten. Ohne sich zu bewegen, lag er da, eingewoben in eine Art Kokon, an eben jener Stelle, wo sie über ihn gekommen waren. Sie wusste nicht, ob er tot war oder nur betäubt. Sie wusste nicht einmal, warum die Spinnen eigentlich so fürchterlich wütend waren.
    Im Grunde war sie genauso weit wie vor einem Tag, als sie ohne Erinnerung im Battery Park gestrandet war.
    Sie wusste gar nichts!
    »Was sollen wir tun?«
    »Laufen!«
    Toller Ratschlag.
    Die Spinnen waren ihnen dicht auf den Fersen. Andere seilten sich von weiter oben ab, und wenn sie Scarlet berührten, dann schlug diese hektisch und wie wild nach ihnen.

    Sie sah die Öffnung, durch die sie vorhin eingetreten waren. Die Luke und darüber den grauen Nachthimmel. Doch dann schloss sich die Öffnung. Wurde erst weiß, dann dunkel.
    Spinnen!
    Sie spannten ihre Netze dort oben. Sie warteten. Sie waren auf der Jagd. Der gesamte Brückenpfeiler schien alarmiert worden zu sein, und Scarlet fragte sich, wie viele Spinnen hier drinnen lebten.
    Es wurde stockfinster.
    Die letzten Geisterlichter gingen aus.
    Jake stolperte, fluchte.
    »Scarlet, wo …?«
    Plötzlich rannte sie mitten in ein Netz hinein.
    Sie schrie erschrocken auf.
    Die klebrigen Fäden ließen sie nicht mehr los. Sie spürte sie an den Händen, im Gesicht.
    Jake zückte ein Taschenmesser und begann, die Fäden zu zerschneiden. »Ich lasse dich nicht zurück«, sagte er. »Auf gar keinen Fall werde ich das tun.« Er kramte in seiner Tasche herum und entzündete ein Feuerzeug und steckte damit einen Teil des dichten Netzes in Brand. Die Flammen züngelten nach den Spinnen, die sich in Sicherheit brachten, knisternd zu Boden fielen, sogar in die Höhe sprangen.
    Scarlet zerrte an den Fäden. Die Panik in ihr war wie ein fester Knoten, der sie kaum atmen ließ.
    Dann schrie auch Jake erschrocken auf.
    Spinnen krabbelten ihm die Hose hinauf und fielen von oben auf ihn herab und bedeckten seinen Ledermantel. Er schlug nach ihnen, panisch, instinktgeleitet, doch ohne Erfolg. Da waren nun auch behaarte Vogelspinnen und riesige,
boshaft zischende Kamelspinnen, hungrige Kreaturen mit gewaltigen Kiefern und langen Beinen, auf denen sie, das erkannte Scarlet im Licht der Flammen noch, kleinere Artgenossen transportierten, die ihrerseits ausströmten, sobald sie die Beute erreicht hatten.
    Es würde schnell vorbei sein.
    Jake Sawyer wurde unter der Flut von Spinnenleibern begraben.
    Scarlet schlug um sich, mehr konnte sie nicht tun.
    Sie traute sich nicht einmal zu schreien, weil sie fürchtete, dass einige der Tiere ihr in den Mund kriechen würden. Nein, sie musste sich irgendwie befreien. Sonst würde alles hier enden, in diesem Spinnennetz.
    Doch zusehends verließ sie die Kraft. Irgendwie wusste sie bereits, dass sie nicht entkommen würde. Es waren einfach zu viele Spinnen. Sie spürte die schnellen Beine über ihre Kleidung laufen. Spinnen wuselten ihr um den Hals, bedeckten ihr das Gesicht. Da waren winzige Beine in ihren Haaren. Fäden wurden gesponnen, auf ihrer Haut, vor ihren Augen, zwischen den Fingern. Sie hatte keine Chance. Sie kamen von überallher, und sie waren wütend. Der Strom kleiner Leiber ließ nicht nach.
    Lady Solitaire.
    Meine Güte, allein die Erwähnung das Namens hatte sie in diesen Aufruhr versetzt.
    Lady Solitaire.
    Ein erschreckender Gedanke kam Scarlet.
    Was, wenn Lady Solitaire nicht nur den Wendigo, sondern auch den Spinnen gebot? Dann wären sie mitten in die Falle gelaufen. Dann wäre das hier ihr Ende.
    Wie dumm.

    Sie atmete flach.
    Schloss die Augen.
    Sie hatte Angst.
    Innerlich schrie sie sich die Seele aus dem Leib. Hunderte von Beinen krabbelten auf ihr, berührten sie im Gesicht. Sie spürte sanfte Stiche, am Hals, auf den Handrücken. Ihre Bewegungen wurden langsamer und schleppend. Sie versuchte zu schlucken, doch nicht einmal das wollte ihr noch gelingen. Sie sank zu Boden, jeder Zuversicht beraubt.
    Sie dachte an Jake Sawyer. Der kleine Teil ihres Verstandes, der noch wach war, rief sich sein Gesicht ins Gedächtnis zurück. Und verwirrt stellte Scarlet fest, dass sie sich um ihn sorgte. Er hatte ihr helfen wollen, und jetzt lag er irgendwo in dieser Dunkelheit, war ein Opfer der Spinnen geworden. Und sie würde ihm all die Dinge, die sie ihm vielleicht irgendwann einmal gesagt hätte, niemals mehr sagen können.
    Es war vorbei.
    So viele Sterne , erinnerte sie sich ihrer Worte, und doch ist es dunkel .
    Ja, ihre Welt wurde ganz weich

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