Die Vagabundin
Badenden nur erahnen ließ, zumal die wenigen Wandleuchter ohnehin nur spärliches Licht spendeten. Die dritte Wanne enthielt offenbar kaltes Wasser und war bislang noch leer. Rechts der Badstube zweigten mehrere Räume ab, deren Türen zumeist offen standen. In einem davon sah Eva zwei Männer, halb nackt auf einer Liege ausgestreckt, mit Schröpfköpfen auf den Schultern, in einem anderen zogen sich einige Gäste gerade ihre Badehren über, kurze, leichte Hemdchen, die kaum über den Hintern reichten.
Während ein Spielmann die Gäste mit den Klängen seiner Zwerchpfeife unterhielt, brachte ein halbnackter Knabe Becher und Krüge mit Wein und verteilte sie auf den Borden, die quer über die Zuber gelegt waren.
«Dampfbad oder Wannenbad?», fragte er Eva.
«Keins von beiden. Ist die Meistersfrau zu sprechen?»
Resi, die blonde Jungfer von eben, trat zwischen sie und musterte Eva von oben bis unten.
«Ich hab dich doch vorher auf der Gass stehn sehen. Was willst du von meiner Mutter?»
Eva streckte den Rücken durch, straffte die Schultern, setzte ihr bewährtes jungenhaftes Lächeln auf und wies auf das Bündel in ihrer Hand. «Ich hätt da was Schönes feilzubieten.»
Es wirkte noch immer: Sie hatte nichts verlernt von der Rolle des liebenswerten jungen Burschen. Augenblicklich verzog das Mädchen den hübschen Mund zu einem Lachen, das zwei lustige Grübchen in ihre Wangen zauberte. An irgendjemanden erinnerte Eva dieses Lächeln.
«Und was wär das?», fragte Resi.
«Ein edles Kleid mit abknöpfbaren Ärmeln, dazu Strümpfe, zierliche Schuhe und ein Schultertuch. Alles aus bestem Stoff und Tuch. Vielleicht mag sich deine Frau Mutter ja was gönnen, jetzt, wo sie wieder gesund ist.»
«Hm – der Medicus ist noch bei ihr. Gib mir dir Sachen doch in Verwahrung und nimm erst mal ein warmes Bad. Hast ja gehört: Heut ist es fast umsonst. Und nötig hättest es auch. Schaust ja aus, als hättst die letzten Nächte im Wald bei den Wildsauen verbracht!»
Dabei strahlten ihre blauen Augen, als wäre dies die schönste Schmeichelei. Eben stürmte eine Handvoll Männer und Frauen aus dem Dampfbad an ihnen vorbei und stürzte sich unter schrillem Gekreisch in das kalte Wasser. Sie trugen keinenLappen am Leib, nicht einmal einen Badfleck, jenes Tüchlein, das als Schurz zwischen den Beinen hindurchgeschlungen und seitlich zusammengebunden wurde und mehr recht als schlecht den Unterleib verhüllte. Diese Leute scherten sich offenbar einen Kehricht um die Vorschriften der heiligen Kirche, die seit geraumer Zeit gegen die Sittenlosigkeit allerorten wetterte und verbot, ohne Badhemd in die Wanne zu steigen.
«Nein, nein.» Eva wehrte erschrocken ab. «Ich denk, ich komm später nochmal vorbei.»
Jetzt lachte Resi lauthals. «Ich seh schon, du hast nicht den lumpigsten Heller bei dir. Wahrscheinlich sind das die Sachen deiner eignen Schwester, die du verscherbelst. Wie heißt du?»
«Adam. Adam Auer.» Gerade noch rechtzeitig war ihr eingefallen, dass ein neuer Name hermusste, falls der alte Ährenfelser nach ihr suchte. Und Auer hießen hier in der Gegend viele.
«Hör zu, Adam. Ich verlang gar nichts von dir. Lass es dir hier gutgehen, ich verwöhn dich ein bisserl, mit Haarewaschen und Kämmen und so, und danach stell ich dich der Mutter vor. Wenn sie die Sachen nicht will, kannst sie immer noch an die Badgäste hier verscheppern.»
Eva zögerte. Wie gern hätte sie dieses Angebot angenommen – sich von Kopf bis Fuß in warmem, nach Kräutern duftendem Wasser zu reinigen. Sich hernach in eines dieser weichen Wolltücher zu hüllen und nahe dem Ofen auf einer der Bänke auszustrecken, bis man wieder trocken war. Aber warum eigentlich nicht? Für einen Neuanfang wär ein solches Bad genau das Richtige! Und hier im Badhaus, mit einem Hemd verhüllt, lief sie weitaus weniger Gefahr, entdeckt zu werden, als auf dem Lande, wo die Menschen splitterfasernackt in Flüsse und Seen tauchten.
«Gut. Ich nehm dein Angebot an.»
«Brauchst eine Badehr?»
Eva schüttelte den Kopf. «Ich nehm mein eignes Hemd.»
«Brauchst aber auch gar nix nehmen, so jung und fesch, wie du bist.»
Eva spürte, wie sie rot anlief, und schüttelte wiederum den Kopf. «Das wär gegen die Kirche gehandelt.»
«Päpstlicher als der Papst!» Resi grinste. «Es ist schon jammerschade. Die faltigsten Männerärsche krieg ich hier zu sehen, und dann schneit ein fescher Kerl wie du herein und gibt sich wie eine gschamige Jungfer. Jetzet komm,
Weitere Kostenlose Bücher