Die Vagabundin
ich zeig dir, wo du dich ausziehen kannst.»
Unbefangen nahm Resi sie bei der Hand und führte sie in einen der Nebenräume. Sie wandte den Blick keine Minute ab, während Eva sich Schuhe, Pluderhose und Wams abstreifte und schließlich die langen Strümpfe vom Bändel der kurzen Unterhose löste.
«Vornehm, vornehm», kicherte Resi. «Trägst eine Hose drunter wie die feinen Herren.»
«Bist wohl nur deshalb mitgekommen – um zu gaffen?», schoss Eva zurück und zog ihr Hemd so weit wie möglich über die Hüften. Wenn die Badmagd keck wurde, konnte sie das auch. Dabei war sie heilfroh um dieses neumodische Kleidungsstück, das sie im Schritt zum Zeichen ihrer Männlichkeit mit Leinen ausgestopft hatte.
«Wirklich jammerschade», murmelte Resi erneut. Dann sagte sie laut: «Komm jetzt, ich wasch dir die Haare.»
Als Eva kurz darauf ihre Füße auf der Sitzbank im fast heißen Wasser ausstreckte, schloss sie die Augen. So herrlich hatte sie es gar nicht mehr in Erinnerung gehabt. Sie spürte Resis kräftige Hände in ihrem nassen Haar wühlen, und ein wohliger Schauer durchfuhr ihren ganzen Körper. Jetzt einfach für immer hierbleiben und nichts mehr denken müssen – das wäre so etwas wie Glück.
«Magst hernach, dass ich dein Gesicht mit Kleiewasser reinige?», flüsterte Resi ihr ins Ohr. «Dazu ein bisserl Loröl auf deine verschrammte Stirn? Barbieren muss man dich ja nicht, so glatt, wie deine Haut ist.» Eva spürte, wie die Finger der Magd sanft über ihre Wangen strichen. «Ich könnt dich auch hie und da durchwalken – mach ich dir alles umsonst.»
«Jetzt schaut euch die Resi an!», polterte das dürre, rotgesichtige Männlein neben Eva los. «Mecht oamoi erlebn, dass die mit mir so turtelt.»
«Die nimmt halt nur junge Kerle», schnaufte eins der dicken Weiber, die gegenübersaßen. «Nicht so einen kastrierten Bock wie dich!»
Der Rotgesichtige griff Eva in den Schritt ihrer Unterhose. «Was bist du überhaupt für oaner? Hat dir das der Pfaff anglegt?»
«Tu deine Krallen weg!»
«I moan ja nur – wegen uns kannst diesen lächerlichen Wickel ausziehen, wir gucken dir nix weg. Oder hast noch gar nix Rechts?»
«Halt die Goschn, Bepperl», zischte Resi, «oder ich setz dich vor die Tür.»
Der Alte gurgelte etwas Unverständliches, und Eva musterte ihn verächtlich: «Dass Ihr nicht mehr im Saft steht, sieht ein Blinder. Sonst wüsstet Ihr, wie schnell’s zu einer Badschwangerschaft kommen kann, wenn man sich als junger Bursche nicht schützt.»
«Hä?»
«Meinem besten Freund ist das passiert. In so einem warmen Bad wie hier. Dem ist der Same abgegangen, und das schiache Weib neben ihm wurd schwanger. Dafür musst er die Alte dann heiraten.»
Der Alte starrte ängstlich zwischen seine krummen Haxen,dann auf die beiden gickelnden Frauen vor ihm und kletterte schließlich wortlos aus dem Zuber.
«Das hast gut gemacht, Adam.»
Lachend begann Resi, ihr Nacken und Schultern zu kneten, doch das wohlige Gefühl von eben war wie weggeblasen.
«Ich geh dann mal raus», sagte Eva und erhob sich.
«Warte.» Resi holte ein duftendes, frisches Tuch und legte es ihr um die Schultern. Dann rieb sie sie trocken, wobei sie keinen Teil ihres Körpers ausließ. Eva hielt den Atem an. Gütiger Himmel, hoffentlich merkte die Magd nichts. Worauf hatte sie sich da nur eingelassen?
Resi wies auf die Ruhebänke beim Ofen. «Die sind alle besetzt. Komm mit.»
«Wohin gehen wir?»
«Die Treppe rauf gibt’s eine gemütliche Kammer. Da haben wir unsre Ruh vor diesen schiefmäuligen Alten.»
Der kleine Raum, in den Resi sie führte, war gut gewärmt durch den Kaminschacht, der sich in der Ecke befand. Ein richtiges Bett stand hier, daneben ein Tischchen mit Waschschüssel und einer Karaffe Wein nebst zwei Bechern.
«Hier kannst bleiben, bis du ganz trocken bist.»
Eva legte sich auf das Bett. Sie war mit einem Mal hundemüde.
«Danke», sagte sie. «Und du willst wirklich kein Geld dafür?»
«Aber nein.»
Resi schenkte sich und Eva von dem Wein ein.
«Du bist kein Hiasieger, oder?»
Eva nickte und nahm einen tiefen Schluck. Der Wein war süß und schwer.
«Ich bin aus Linz und will weiter nach Straßburg. Zu meinem Bruder.»
«Dann bist ein reisender Scholar?»
«Nein. Ein Schneidergesell.»
Eva betrachtete sie. Plötzlich wusste sie, an wen das Mädchen sie erinnerte: an Josefina. Sofort legte sich das Bild ihrer Schwester wie ein schwarzer Schatten über ihre Seele.
Resi setzte sich auf
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