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Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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ihnen anzusehen, und Eva musste immer wieder aufs Neue ihren Überfall schildern. Immer abenteuerlicher wurde die Geschichte, zumal sie von ihren Gästen reichlich mit Rotwein versorgt wurde. Am Ende übertrieb sie maßlos: Halb tot hatte der Bartel sie geschlagen, die Grube wurde zu einem Brunnenschacht, und aus ihrem Vater machte sie einen angesehenen Regensburger Ratsherrn. Irgendwann schwirrte ihr selbst der Kopf, und sie musste achtgeben, sich nicht in Widersprüche zu verwickeln.
    Auch in dieser zweiten Nacht schlief Eva wie ein Stein – zum einen, weil die letzten Wochen erheblich an ihren Kräften gezehrt hatten, und zum anderen, weil sie entgegen des ärztlichen Ratschlags kein Vaterunser lang zur Ruhe gekommen war.
     
    «Ich fasse zusammen: Du heißt also Adam Portner, bist zünftiger Schneiderknecht und stammst aus Regensburg?»
    Eva rutschte auf ihrem Schemel hin und her. Der Amtsbürgermeister, ein Lodenhändler namens Johann Wörlin, war im Gegensatz zu Meister Sick ein zutiefst misstrauischer Mensch. Jetzt zupfte er an seiner pelzbesetzten Schaube und warf ihr einen durchdringenden Blick zu.
    «Ja, Herr. Es ist, wie ich sag. Man hat mich überfallen und ausgeraubt. Nur deshalb trag ich keinen Brief bei mir.»
    «Dann sag mir, bitt schön, wie dieser Schwabacher Krämer heißt, der dich gerettet hat.»
    «Reysenleiter, Herr Bürgermeister. Konrad Reysenleiter.»
    «Und dein Vater soll ein berühmter Regensburger Ratsherr sein? Da scheint es mir ein wenig seltsam, dass du als Schneidergeselle durch die Gegend ziehst.»
    «Nun   …» Eva lief rot an. Hätte sie sich nur mehr im Zaum gehalten mit ihren Phantastereien vor den Schneidern gestern.«Die Wahrheit ist: Ich sollte zu einem Meister, der mir nicht angenehm war. Da bin ich weg von zu Haus.»
    «Das kommt doch alle Tage vor, Herr Bürgermeister», versuchte Sick zu vermitteln. «Junges Blut, versteht Ihr? Das will nicht immer so wie wir Alten.»
    «Mag sein. Es ist ja lobenswert, wie Ihr dem Jungen das Wort redet, aber was, wenn er uns am Narrenseil herumführt? Wenn er nun ein Schalk ist, ein Junker Ärmlich, der sich bei Euch ins gemachte Nest setzen will?»
    «Er wird uns beweisen, dass er Schneider ist. Gleich morgen nehm ich ihn mit.»
    «Ich dank Euch, Meister Sick.» Eva atmete auf. «Ihr werdet sehen: Selbst geschlitzte und gepuffte Ärmel kann ich Euch zuschneiden. So wahr ich hier sitze.»
    Der Bürgermeister schien nachzudenken, dann nickte er.
    «Wie heißt dein Vater?»
    «Hans Portner, Herr.»
    «Gut. Machen wir doch Nägel mit Köpfen.» Er wandte sich an den Stadtschreiber, der an seinem Pult alle Angaben notiert hatte.
    «Ihr bleibt hernach noch bei mir, Eiberspacher, und setzt zwei Schreiben auf: eins an diesen Reysenleiter, eins an den Ratsherrn. Damit schicken wir einen Boten nach Schwabach und nach Regensburg. Am besten den Kratzer, der ist schnell und zuverlässig.»
    «Mit Verlaub   …» Der Schreiber legte die Feder beiseite. «Wilhelm Kratzer wird erst Ende der Woche aus Ulm zurückerwartet.»
    «Auf die paar Tage kommt’s nicht an. Und du, Adam Portner, bleibst so lange in der Stadt, die Zunft soll ein Aug drauf halten.»
    Eva war zunächst vor Schreck wie gelähmt. Doch dann beruhigtesie sich: Sie brauchte ja nur einen Aufschub, bis Moritz zurück war. Sollten die doch ihren Boten schicken! Den Schwabacher Eisenkrämer gab es ja tatsächlich, er würde sich schon an sie erinnern, auch wenn ihre Geschichte ein wenig abwich von dem, was wirklich geschehen war. Und einen Regensburger Ratsherrn namens Hans Portner würde der Bote erst gar nicht finden. Eine stimmige Ausrede hierzu würde sie sich noch ausdenken – wenn sie bis dahin noch nicht längst bei Moritz war.
    Nachdem diese unangenehme Unterredung überstanden war, brachte der Zunftvorgeher Eva in ihre Herberge zurück. Sie musste ihm versprechen, keinen Schritt vor die Stadt zu tun.
    «Vielleicht kann dein Vater dem Boten ja Geld mitschicken, unserer Auslagen wegen.»
    «Bestimmt wird er das tun», antwortete sie mit dünner Stimme.
    Väterlich legte Sick ihr den Arm um die Schultern. «Du siehst noch immer ganz blass aus. Vielleicht solltest du dich doch noch ein paar Tage schonen.»
    «Nein, es geht schon. Morgen will ich wieder arbeiten.»
     
    Die nächsten Tage erging es Eva wie im Paradies auf Erden. Die teure Arznei rührte sie nicht an, lieber hielt sie sich an den guten Roten und an das herzhafte Essen, das sie in fröhlicher Runde genoss. Alles schien

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